An unserem Institut ermöglichen wir jungen Forscherinnern und Forschern eine umfassend betreute Promotion. Die laufenden Forschungsprojekte beschäftigen sich mit aktuellen Themen in unterschiedlichsten Regionen, vornehmlich in Südasien, Afrika, Europa, aber auch Lateinamerika und Australien.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Zwei indische Frauen laufen durch eine schmale Straße mit Geschäften
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Bunte Blumen und Obst auf einem Tisch
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Ein Mann nimmt den Fingerabdruck einer Frau mit einem digitalen Gerät ab.
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Häuserdächer und im Hintergrund Berge. Eine Frau schaut aus einem Fenster

Aktuell laufende Dissertationen

Essen und Schmecken in den Anden: Körper, Person und kultureller Wandel

In Peru, wie in vielen Regionen, leben Menschen ihre eigenen Küchen. Sie bewahren kulinarische Traditionen und erfinden neue, führen Rezepte ein und übernehmen fremde Nahrungsmittel. Dieses Projekt untersucht die andine Küche, die wie die Küchen vieler postkolonialer Gesellschaften, lange innerhalb des Landes stigmatisiert wurde. Antje Baecker hat eine umfangreiche Feldforschung im Colca-Tal in den südlichen peruanischen Anden durchgeführt und dort alltägliche, festliche und rituelle Mahlzeiten beobachtet. Sie untersucht die Beziehung zwischen Essen, Schmecken, Konzeptionen des Körpers und des kulturellen Wandels auf theoretischer Ebene. Zentrale Fragen des Promotionsprojekts sind: Wie ist die Identität der lokalen Bewohner mit ihren Ernährungsgewohnheiten verwoben? Wie stehen Konzeptionen von Nahrung und Geschmack im Zusammenhang mit dem Verständnis von Person, dem individuellen und dem kollektiven Körper? Welche Rolle spielen Geschmack und Schmecken in normativen Bewertungen über Bewahrung und Veränderung kulinarischer Traditionen? Welche Konflikte entstehen in diesem Prozess und wie werden diese ausgehandelt? Die Studie leistet einen Beitrag zu Debatten über kulturelle Aneignung und zur Anthropologie des Essens und der Sinne.

Journalistische Praktiken: Das Entstehen öffentlich-rechtlicher Medien und die Transformation politischer Nachrichten in Ecuador

Dieses Projekt greift gegenwärtige Debatten in der Medienethnologie auf und untersucht die Veränderungen journalistischer Praktiken im Kontext des Entstehens öffentlich-rechtlicher Medien in Ecuador, einem Land mit langer Tradition eines privaten Medienmarktes. Die Studie beobachtet die Veränderung der Praxis von Journalisten und ihrer Beziehungen zum politischen Feld aus ethnologischer Perspektive und fragt, wie Journalisten institutionelle Transformationen verkörpern, verhandeln, verhindern und produzieren. Die Forschung leistet damit einen Beitrag zu aktuellen wissenschaftlichen und politischen Debatten. Sie wird zu ethnologischen Debatten über die Produktion von Nachrichten durch ein vertieftes Verständnis der Erfahrungen von Journalisten, der Konstruktion ihrer Subjektivitäten und ihrer Entscheidungsprozesse beitragen. Das Projekt zielt außerdem darauf ab, neue Einsichten in politische Diskussionen über die Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit und die Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien und marktorientierten Medien in der Demokratie zu bieten.

Heterogene Räume der Verehrung: Santa Muerte in Los Angeles

Das Ziel dieses Forschungsprojekts ist es, die Aushandlung von Kontinuitäten und Diskontinuitäten pluraler religiöser Praktiken und Narrative in einem komplexen urbanen Feld zu untersuchen. Im Fokus der ethnographischen Studie steht die Verehrung der kontroversen Volksheiligen Santa Muerte in Los Angeles im Spiegel politischer, ökonomischer und religiöser Spannungsfelder. Das Disserationsprojekt widmet sich damit den Wechselwirkungen zwischen dynamischen religiösen Praktiken, sozialen Verräumlichungsprozessen und den lokalen wie auch translokalen Verflechtungen von Migrantengemeinschaften. Aufgrund des umstrittenen Rufs der Volksheiligen und ihrer Anhängerinnen und Anhänger, sowie der zunehmenden Bedeutung migrationsfeindlicher Diskurse in den USA, wird das Projekt einen Beitrag zu aktuellen akademischen wie auch politischen Debatten leisten.

Care-Arbeit, Zukunftsangst und Chancen für junge Geflüchtete in Deutschland

Dieses Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie Sozialarbeiter in der Jugendhilfe unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreuen und für sie sorgen. Es untersucht die Konsequenzen eines emotionalen Framings dieser Menschen als junge, verletzbare und schützenswerte Personen und fragt, wie die komplexen emotionalen und psychischen Folgen von Migration und Leben in Deutschland durch Kategorien wie „UMF“ (unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) oder „Trauma“ begreifbar gemacht werden. Zudem beschäftigt es sich mit den Fantasien und Sehnsüchten junger Menschen in Bezug auf ihre Zukunft. Untersucht wird, wie beide Akteursgruppen mit Möglichkeiten und Zwängen in der Gestaltung von Zukunft umgehen, die sowohl Stress und Angst auslöst als auch Chancen verspricht.

Heilung zwischen Biomedizin und Religion in einem christlichen Gesundheitszentrum in Niger

Dieses Dissertationsprojekt ist eine Krankenhausethnographie eines christlichen Gesundheitszentrums in Niger und trägt zu Debatten über die Rolle von FBOs (faith-based organizations) für Gesundheitsversorgung im Globalen Süden bei. Das Projekt untersucht, welchen Entwurf von Heilung das Gesundheitszentrum für PatientInnen unterbreitet und wie Glaube und glaubensbezogenes Handeln in diesen Heilungsentwurf impliziert sind. Die Studie soll aufzeigen: (1) wie im CSLF ‚Heilung‘ aus der Verschränkung von Biomedizin und Religion konzipiert wird, (2) wie das Gesundheitszentrum organisiert ist, um diese  Konzeption von Heilung umzusetzen, (3) wie der Heilungsentwurf PatientInnen mit christlichen Ideen bekannt macht und in christliche Praktiken einbindet, (4) welche Dynamiken zwischen dem Heilungsentwurf des Gesundheitszentrums und Gegenentwürfen von PatientInnen entstehen. Das Projekt stützt sich auf Konzepte und Theorien der Medizin- und Religionsethnologie, um zu einem vertieften Verständnis der Besonderheiten christlicher Gesundheitsversorgung zu gelangen.

Jedes Dorf ist angeschlossen: Digitalisierung und Neuverräumlichung des indischen Nationalstaates

Indien hat im letzten Jahrzehnt einen sprunghaften Anstieg von Informationstechnologien und digitalen Dienstleistungen erlebt, wobei ein wesentlicher Fokus darauf lag, diese Technologien an ländliche und abgelegene Standorte zu bringen. Das Forschungsprojekt verfolgt einen ethnologischen Ansatz, um Anbieter digitaler Dienstleistungen zu untersuchen, die im ländlichen Indien unter der Ägide von „Digital India“ tätig sind, einem groß angelegten und ambitionierten Digitalisierungsprojekt, das Interaktionen von Staat und Bürgern „neuverkabelt“. In der Forschung wird eine akteurszentrierte Perspektive eingenommen, um zu verstehen, wer diese Digitalisierungsprojekte vorantreibt, was an diesen Zugangsstellen geschieht und wie die Beziehungen zwischen Staat und Bürgern neu imaginiert und verhandelt werden. Digitalisierungsprojekte schaffen neue Räume des Handelns und der Machtasymmetrien, indem sie die Bewegung von Daten gegenüber der von Personen, Papieren and Verhandlungsmöglichkeiten privilegieren. Datenbanken, Regierungsportale und webbasierte Formulare sind rasant zum Gesicht des gegenwärtigen indischen Staates geworden. Die Forschung bietet daher eine zeitnahe Betrachtung der Effekte einer zunehmend allgegenwärtigen technokratisch-unternehmerischen Weise von Entwicklung.        

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Kontrolle! Körpererfahrung im Rahmen von rassistischen Bewegungen

In Deutschland ist Racial Profiling in allen Lebensbereichen gegenwärtig, aber diese Realität wird häufig verworfen, weil das Konzept von „Rasse“ eine schwierige Geschichte in diesem Land hat und keine Daten zu Rassendiskriminierung nach ethnischen Gruppen existieren. Wie ist es dann möglich, von diesen stillen Rändern zu sprechen und in einer Gesellschaft zu leben, die die gelebte Erfahrung von nichtweißen Menschen systematisch marginalisiert? Welche Auswirkungen hat das? Dieses Forschungsprojekt untersucht die verkörperten und emotionalen Folgen des Lebens mit rassischem Trauma durch die Anerkennung des Körpers als Archiv. Es arbeitet in der schwarzen Berliner Community und versucht zu verstehen, wie Raum „rassifiziert“ wird und welcher Rolle dem Visuellen in der Formation der „rassischen Imagination“ zukommt, einer Imagination mit der materiellen Folge von Kriminalisierung des schwarzen Körpers. Es untersucht außerdem, wie Technologie innerhalb dieser Erfahrungen als mobilisierender, schützender, unterdrückender und einflussreicher Agent auftritt.

Kürzlich abgeschlossene Dissertationen

Von Nord-Süd zu Ost-West: Relikte des Kalten Krieges in der globalen vietnamesischen Diaspora

Dieses Projekt untersucht die vietnamesische Diaspora in Osteuropa, die eine der größten Gruppen von Migranten in Ländern wie Polen, der Tschechischen Republik und Russland darstellt. Wissenschaftliche Studien zu diesen Gemeinschaften sind kaum vorhanden und konzentrieren sich auf Integration und Anpassung der Migranten an die Mehrheitsgesellschaften. Ausgehend von einer Multi-Sited Ethnography in Moskau und Berlin und unter Bezugnahme auf theoretische Konzepte wie Transnationalismus, transnationale soziale Felder und transnationale soziale Räume will diese Studie nachvollziehen, wie komplexe Prozesse der Verräumlichung, transnationale ökonomische Strategien und transnationales Familienleben die Formierung vietnamesischer Migrantengemeinschaften in Osteuropa, ihre Positionierung in der globalen vietnamesischen Diaspora und Reimaginationen der Migranten von Osteuropa beeinflussen. Die Studie zielt darauf ab, akademische Diskussionen zu erweitern, die einen westlichen Blick auf die als „staatenlose Diaspora“ konstruierten Bootsflüchtlinge entwickelt haben, indem der Fokus weg von Ost-West Narrativen und Abwanderung von Menschen aus früheren Ländern der Sowjetunion hin zu vietnamesischen Migranten in Osteuropa gelenkt wird.

Miteinander und Widerstand: Eine Multispecies-Ethnographie indischer Bio-Teeplantagen

Diese Dissertation untersucht die ökologische Landwirtschaft auf indischen Teeplantagen und basiert auf sechsmonatiger Feldforschung auf drei Plantagen in verschiedenen Teeanbaugebieten (im Dibrugarh-Distrikt von Assam, in der Darjeeling-Region in Westbengalen und in den Nilgiri-Bergen in Tamil Nadu). An der Schnittstelle zwischen ökologischen und sozialen Fragen zeigt die Forschung, wie Bio-Teeplantagen alternative Anbautechniken als zentrale Elemente in industrielle Produktionsabläufe einbinden. Darüber hinaus beschreibt sie, wie sowohl ArbeiterInnen und AufseherInnen als auch nichtmenschliche Lebewesen gegen das ökologische „Miteinander“, welches das Plantagemanagement kultivieren will, Widerstand leisten. Kernargument der Dissertation ist, dass Bio-Pflanzer (Plantagenbesitzer) und -Berater die Interaktionen zwischen Teepflanzen und anderen nichtmenschlichen Arten gezielt einsetzen, um Teepflanzen produktiver wachsen zu lassen. Sie weisen ArbeiterInnen und Aufseher an, Insekten, Pilze, Bodenbakterien, Kühe und Wildpflanzen strategisch in die tägliche Arbeit einzubeziehen und ökologische Zusammenhänge für die Teeproduktion nutzbar zu machen. Während andere Studien Plantagen vor allem als „ökologische Vereinfachungen“ beschreiben (Tsing et al 2019: 186), wollen Pflanzer auf Bio-Teeplantagen ökologische Vielfalt nicht grundsätzlich ausschließen, sondern vielmehr gezielt beeinflussen. ArbeiterInnen und Aufseher sollen vielfältige ökologische Beziehungen kultivieren, um landwirtschaftliche Monokulturen zu optimieren. Die Ethnographie arbeitet zwei zentrale Aspekte dieses Miteinanders heraus: Erstens wird betont, dass die Zusammenarbeit mit nichtmenschlichen Lebewesen mit menschlichen Ungleichheiten einhergehen kann. Das Miteinander verschiedener Arten beruht zumeist auf prekärer Arbeit, wie sie auf indischen Teeplantagen seit der Kolonialzeit vorherrscht. Zweitens wird gezeigt, wie der Widerstand von ArbeiterInnen und Aufsehern gegen ihre Arbeitsbedingungen das produktive Miteinander anderer Spezies verändert. Bisweilen protestieren ArbeiterInnen und Aufseher offen gegen ihre prekäre Situation, so auch während des Generalstreiks in Darjeeling im Jahr 2017, in dessen Folge ganze Plantagen brachlagen und verwilderten. Für gewöhnlich jedoch verhandeln ArbeiterInnen und Aufseher ihre Arbeitsbedingungen weniger offensiv, sie leisten „alltäglichen Widerstand“ (Scott 1985). Die Kombination von Plantagenstudien und Studien zu alternativer Landwirtschaft erweitert das Repertoire der Multispecies-Forschung und zeigt ihr kritisches Potential.

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