Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Instituts haben zahlreiche durch Drittmittel geförderte Forschungsprojekte eingeworben. Informieren Sie sich hier über die abgeschlossenen Projekte und die Mitwirkenden.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Wasserkrug mit Blumen, Foto: Katrin Querl
Wasserkrug mit Blumen, Foto: Katrin Querl

Yamāri’s Pramāṇavārttikālaṅkāraṭīkā Supariśuddhā (diplomatische und kritische Ausgaben, Teilübersetzung und Studien)

Yamāris umfangreicher Kommentar zum Pramāṇavārttikālaṅkāra (im Folgenden PVA) von Prajñākaragupta (ca. 750-810), die Pramāṇavārttikālaṅkāraṭīkā Supariśuddhā (im Folgenden Supariśuddhā), die um 1050 u.Z. niedergeschrieben wurde, galt lange Zeit als im Sanskrit-Original verschollen und war nur in einer tibetischen Übersetzung zugänglich, deren Verständlichkeit durch manchmal unüberwindbare philologische Probleme getrübt war. Erst kürzlich ist bekannt geworden, dass doch eine Handschrift dieses Werkes erhalten ist, die im China Tibetology Research Center (CTRC) in Beijing verwahrt wird.  Dank einer Übereinkunft zwischen dem Institut für Indologie und Zentralasienwissenschaften der Universität Leipzig und dem CTRC erhalten der Antragsteller und die zwei vorgesehenen Projektmitarbeiter Zugang zu diesem sensationellen Fund. Das Manuskript enthält den Kommentar zum umfangreichen Pramāṇasiddhi-Kapitel des PVA, den wir sowohl diplomatisch als auch kritisch herausgeben wollen, zusammen mit einer Übersetzung und Studie ausgewählter Passagen zur buddhistischen Religionsphilosophie. Das Zeugnis des Manuskripts wird es uns nicht nur erlauben, erstmalig das Oeuvre des bedeutenden buddhistischen Kommentators und Philosophen, Yamāri, zu studieren, sondern wird auch erheblich zum Zeugnis für den Text von Prajñākaragupta PVA beitragen.
Das Projekt wird daher einen dreifachen Zweck erfüllen: Es wird 1) durch die editio princeps des Sanskrit-Originals der Supariśuddhā eine neue Grundlage für das Verständnis des Werkes eines wichtigen buddhistischen Kommentators und Philosophen schaffen, 2) den ersten Versuch darstellen, einen Teil von Yamāris Gedankengebäude zu rekonstruieren, indem jene ausgewählten Passagen übersetzt und untersucht werden, in denen Yamāri signifikant über die wörtliche Erklärung des PVA hinausgeht, und 3) ein sehr benötigtes, lange vermisstes Instrument für das Verständnis eines der wichtigsten Werke der buddhistischen epistemologischen Tradition, nämlich des PVA, zur Verfügung stellen.
Zusätzlich stellt das Projekt einen bedeutenden Schritt in der internationalen Kooperation mit dem CTRC dar. Die Offenheit des CTRC für eine solche Kooperation ist entscheidend für die Entwicklung der Buddhismuskunde in den kommenden Jahrzehnten, insofern der Zugang zu den einmaligen Sanskrit-Handschriften des CTRC äußerst wichtig ist für das Verständnis der Geschichte des Buddhismus in Südasien, besonders in seiner späteren und letzten Phase.

Säkulare Lebensbeschreibung im frühneuzeitlichen Tibet: Eine Studie Kalon Tenzin Paljors Autobiografie 'Musik offenherziger Rede'

  • Finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
    Dauer: 3 Jahre
    Beginn: 16.07.2017 (Beurlaubung für Vertretungen vom 1.1.2019 und vom 11.10.2020 für jeweils 6 Monate, Verlängerung bis 31.3.2022)
    Projektleiter: Dr. Franz Xaver Erhard

Das Forschungsvorhaben untersucht das Aufkommen und die Entwicklung tibetischer säkularer Lebensbeschreibungen im 18. Jahrhundert. Tibetische Biografien und Autobiografien als vorwiegend religiöses Genre folgten weitgehend indischen Vorbildern. Die Säkularisierung des Genres im 18. Jahrhundert ging einher mit tiefgreifenden sozialen und politischen Umwälzungen der tibetischen Gesellschaft und Kultur sowie der sich anbahnenden Moderne. Die umfassende philologische Studie wird die vom tibetischen Kabinettminister und Intellektuellen Tenzin Paljor (1760- ca.1808) verfasste Autobiografie "Dga' bzhi ba'i mi rabs kyi byung ba brjod pa zol med gtam gyi rol mo [Geschichte der Gabzhi Familie: Eine Musik offenherziger Rede" erstmalig in ihrer Gesamtheit analysieren. Der Vergleich des autobiografischen Texts mit herausragenden früheren und zeitgenössischen Beispielen tibetischer Lebensbeschreibungen wird aufzeigen, wie soziale und literarische Konventionen das biografische Genre formten. Des Weiteren werden die politischen und sozialen Entwicklungen diskutiert, die den Wandel von einem ausschließlich religiösen Genre, dominiert von Hagiografien, hin zu säkularen Lebensbeschreibungen stimuliert haben. Das Forschungsprojekt wird damit nicht nur einen Beitrag zum tieferen Verständnis der Gesellschaft Tibets im 18. Jahrhundert leisten, sondern insbesondere auch zur Geschichte der tibetischen Lebensbeschreibung in der frühen Neuzeit.

Tibetische Genealogie, Verwandtschaftslinie und Reinkarnationsnachfolge: eine religiös-politische Studie der Bar ’Brug-pa bKa’-brgyud-pa Sekte zwischen 15. und 16. Jahrhundert

  • Finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
    Dauer: 3 Jahre
    Beginn: 1.2.2016
    Projektleiter: Prof. Dr. Per Kjeld Sørensen
    wissenschaftlicher Mitarbeiter: Hou Haoran, M. A.

Das Projekt befasst sich mit einer religiös-politischen Geschichte der Bar ’Brug-pa Sekte zwischen 15. und 16. Jahrhundert. Die Fallstudie konzentriert sich auf die intensive Konkurrenz und die zunehmenden Rivalitäten zwischen den zwei Linien, nämlich der Institution der so genannten rGyal-dbang ’Brug-chen Reinkarnation und der traditionellen Abt-Nachfolge, die von der herrschenden Familie rGya von Rwa-lung vertreten wurde. Die zwei Linien spalte die Sekte führte zur Verlegung des Herrscherhauses von Rwa-lung in das „Südliche Land“ (lho mon/lho kha bzhi) und zur Entstehung eines Einheitsstaats, Bhutan, im 17. Jahrhundert. Den Hauptuntersuchungsgegenstand stellen tibetische Quellen, die bislang noch wenig untersucht worden sind, dar. Vor allem den (Auto)Biographien der Bar ’Brug-pa Meister, die den zwei rivalisierenden Linien angehörten, d. h. des 13. Rwa-lung Throninhabers rGyal-dbang ’Brug-chen II Kun-dga’ dpal-’byor (1428-1476), des 14.  Rwa-lung Throninhabers Ngag-dbang chos-rgyal (1465-1540), rGyal-dbang ’Brug-chen III ’Jam-dbyangs Chos kyi grags-pa (1478-1523), rGyal-dbang ’Brug-chen IV Padma dkar-po (1527-1592) und rGya-dbang ’Brug-chen V dPag-bsam dbang-po (1593-1653), wurden bisher kaum Beachtung geschenkt.  Basierend auf historischen und philologischen Methodologien führt das Forschungsprojekt eine gründliche Untersuchung der gewählten tibetischen Quellen durch und strebt an, ein vollwertiges Studium der Geschichte der Bar ’Brug-pa Schule im Verlauf jener zweihundert Jahre vorzulegen. Dadurch zielt das Projekt darauf ab, die Themen im Mittelpunkt der gegenwärtigen tibetischen Studien, nämlich die Rolle des Clans und des regionalen Herrscherhauses in der Formierung und Gestaltung der tibetischen mittelalterlichen Geschichte und die zunehmende Prävalenz der Institution der Inkarnation (yang srid), die die tibetische Theokratie vom 15. Jahrhundert an kennzeichnet, genauer zu beschreiben und die Funktion des Schreibens von Hagiographien in der Bildung der Identität einer buddhistischen Schule und der Erstellung einer Sozialgemeinschaft zu erforschen.

Digitale kritische Edition des Nyāyabhāṣya

  • Finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
    Dauer 9(3) Jahre, Beginn: 1.7.2016
    1. Projektphase
    Projektleiter: Prof. Dr. Eli Franco
    wissenschaftliche Mitarbeiter: Dr. Philipp André Maas und Tyler Graham Neill

Der Nyaya („Logik“) ist eine der wichtigsten Traditionen der klassischen indischen Philosophie. Seine grundlegende Schrift, das Nyayasutra, besteht aus fünf Kapiteln und wird dem Weisen Aksapada zugeschrieben. In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts wurde der Text von anonymen Bearbeitern weitgehend festgelegt und kurz danach von Paksilasvamin Vatsyayana kommentiert. Vatsyayanas Kommentar, das Nyayabhasya, ist für unser Verständnis der frühen Phase der Nyaya-Philosophie und die Rekonstruktion der frühesten Form des Nyayasutra außerordentlich wichtig. Ferner erweitert er unsere Kenntnis der anderen philosophischen Traditionen der klassischen Periode, deren Literatur nur teilweise erhalten ist. Trotz dieser großen Bedeutung für die Erforschung der indischen Philosophiegeschichte ist das Nyayabhasya bisher nicht kritisch ediert worden. Die Notwendigkeit einer kritischen Ausgabe wurde durch ein von der DFG finanziertes Pilotprojekt zum 5. Kapitel und drei vom FWF geförderte Projekte zu den Kapiteln 1–2 an der Universität Wien hinreichend dokumentiert. Das DFG-Langzeitprojekt bezweckt die kritische Ausgabe von Kapitel 3–4, die in dialektischer Form zentrale metaphysische, epistemologische, theologische und soteriologische Fragen behandeln. Um den kritischen Text zu erstellen, werden 15 Handschriften verwendet, die aus stemmatischer Sicht aus 41 verfügbaren ausgewählt wurden. Sie sollen durch eine Anzahl weiterer Handschriften, nach philologischer Bewertung ihrer Lesarten und der Durchführung verschiedener phylogenetischer Analysen ihrer Texte, ergänzt werden. Surrogate der relevanten Handschriften, vor allem aus Indien, sind bereits verfügbar. Neben der gedruckten kritischen Ausgabe der beiden Kapitel ist ein Hauptziel des Projekts die neuesten Standards entsprechende digitale Veröffentlichung und damit weite Verbreitung einer neuartigen kritischen Ausgabe ihres Textes, begleitet von einer Dokumentation der Textversionen aller primärer und sekundärer Zeugen und ausgewählter gedruckter Ausgaben und unter Zugabe ausführlicher Handschriftenbeschreibungen. Die Veröffentlichung erfolgt auf der innovativen Web-Plattform Brucheion, die für das Projekt entwickelt wurde und freien Zugang zu den Texten sowie die Möglichkeit der Untersuchung der Vielfalt der Textüberlieferung bieten wird. Der kritische Text wird eine verlässliche, gut begründete umfassende Quelle für zukünftige Studien zur klassischen Nyaya-Philosophie sein und Grundlage für eine neue philologisch sachkundige Übersetzung des Textes darstellen. Das Projekt wird einen substantiellen Beitrag zur Einführung der Digital Humanities und der digitalen Philologie in das Fach leisten, mit der Etablierung neuer Vorgehensweisen und Methoden im Bereich der Stemmatik und Darstellung von Daten, die auch in jedem anderen geisteswissenschaftlichen Fach, wie z.B. der klassischen Philologie, angewandt werden können, in dem kritische Ausgaben auf Basis einer großen Anzahl von Handschriften unternommen werden.

Yamāri’s Pramāṇavārttikālaṅkāraṭīkā Supariśuddhā (diplomatische und kritische Ausgaben, Teilübersetzung und Studien)

  • Finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
    Dauer 3 Jahre
    Beginn: 1.7.2014
    Projektleiter: Prof. Dr. Eli Franco
    wissenschaftliche Mitarbeiter: Dr. Junjie Chu und Dr. Xuezhu Li

Yamāris umfangreicher Kommentar zum Pramāṇavārttikālaṅkāra (im Folgenden PVA) von Prajñākaragupta (ca. 750-810), die Pramāṇavārttikālaṅkāraṭīkā Supariśuddhā (im Folgenden Supariśuddhā), die um 1050 u.Z. niedergeschrieben wurde, galt lange Zeit als im Sanskrit-Original verschollen und war nur in einer tibetischen Übersetzung zugänglich, deren Verständlichkeit durch manchmal unüberwindbare philologische Probleme getrübt war. Erst kürzlich ist bekannt geworden, dass doch eine Handschrift dieses Werkes erhalten ist, die im China Tibetology Research Center (CTRC) in Beijing verwahrt wird. (Die Handschrift selbst wurde nach Lhasa retourniert und ist zurzeit nicht zugänglich. Der Kürze halber sprechen wir im Folgenden von „Handschrift“, statt jedes Mal „die Fotokopie der Handschrift“ zu wiederholen. Das Gleiche gilt für alle anderen „Handschriften“ des CTRC. Zur Sammlung des CTRC s. Ernst Steinkellner, A Tale of Leaves: On Sanskrit Manuscripts in Tibet, their Past and their Future. 2003 Gonda Lecture. Amsterdam 2004: Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences. Das Institut für Indologie und Zentralasienwissenschaften der Universität Leipzig hat am 6. September 2012 ein Memorandum of Understanding mit dem Institute of Religious Studies des CTRC unterschrieben. Dieses Memorandum, das gemeinsame Forschungsförderung zum Ziel hat, ermöglicht uns den Zugang zu einigen der wertvollen Sanskrit-Handschriften.) Dank einer Übereinkunft zwischen dem Institut für Indologie und Zentralasienwissenschaften der Universität Leipzig und dem CTRC erhalten der Antragsteller und die zwei vorgesehenen Projektmitarbeiter Zugang zu diesem sensationellen Fund. Das Manuskript enthält den Kommentar zum umfangreichen Pramāṇasiddhi-Kapitel des PVA, den wir sowohl diplomatisch als auch kritisch herausgeben wollen, zusammen mit einer Übersetzung und Studie ausgewählter Passagen zur buddhistischen Religionsphilosophie. Das Zeugnis des Manuskripts wird es uns nicht nur erlauben, erstmalig das Oeuvre des bedeutenden buddhistischen Kommentators und Philosophen, Yamāri, zu studieren, sondern wird auch erheblich zum Zeugnis für den Text von Prajñākaragupta PVA beitragen. Das Projekt wird daher einen dreifachen Zweck erfüllen: Es wird 1) durch die editio princeps des Sanskrit-Originals der Supariśuddhā eine neue Grundlage für das Verständnis des Werkes eines wichtigen buddhistischen Kommentators und Philosophen schaffen, 2) den ersten Versuch darstellen, einen Teil von Yamāris Gedankengebäude zu rekonstruieren, indem jene ausgewählten Passagen übersetzt und untersucht werden, in denen Yamāri signifikant über die wörtliche Erklärung des PVA hinausgeht, und 3) ein sehr benötigtes, lange vermisstes Instrument für das Verständnis eines der wichtigsten Werke der buddhistischen epistemologischen Tradition, nämlich des PVA, zur Verfügung stellen. Zusätzlich stellt das Projekt einen bedeutenden Schritt in der internationalen Kooperation mit dem CTRC dar. Die Offenheit des CTRC für eine solche Kooperation ist entscheidend für die Entwicklung der Buddhismuskunde in den kommenden Jahrzehnten, insofern der Zugang zu den einmaligen Sanskrit-Handschriften des CTRC äußerst wichtig ist für das Verständnis der Geschichte des Buddhism

Visuelle Dokumentation von Regionaltopographie und Alltagsleben im tibetischen Kulturraum in der Mitte des 19. Jahrhunderts: die Wise Collection der British Library.

  • Finanziert durch die Gerda-Henkel-Stiftung
    Dauer: 2 Jahre
    Beginn: 1. April 2013 - 31.März 2015
    Projektleiterin: Dr. Diana Lange

Die vermutlich in der Mitte des 19. Jahrhundert von einem tibetischen Künstler angefertigten Zeichnungen, die heute zur Wise Collection der British Library gehören, eröffnen einen Einblick in die visuelle Darstellung von Regionaltopographie und lokalem Alltagsleben eines großen Teiles Tibets der betreffenden Zeit. Den Kern der Sammlung bilden sechs große Karten der Kategorie picture map, die den geographischen Raum zwischen Ladakh und Osttibet abbilden. Die Region wird in einer Länge von ca. 1800 km (West-Ost) nahezu ohne Unterbrechung in unterschiedlichen Maßstäben dargestellt. Die Landkarten werden ergänzt durch 25 Abbildungen von Zeremonien, Ritualen und ethnographischen Details Tibets.

Ziel des geplanten Projektes ist die Erforschung der Wise Collection im Kontext ihrer Entstehung. Ausgehend von der Untersuchung des Inhalts der Zeichnungen soll dokumentiert werden, in welcher Form Regionaltopographie und Alltagswissen des tibetischen Kulturraumes aus tibetischer Sicht in der Mitte des 19. Jahrhunderts in visueller Weise dargestellt wurden und welche Schlussfolgerungen sich infolgedessen in Bezug auf die Selektion, Wahrnehmung und Repräsentation von geographischen Räumen und von Alltagswissen ziehen lassen. Desweiteren soll die Kollektion als visuelle Quelle in kritischer Form literarischen tibetischen Quellen, die aus der gleichen Periode stammen, gegenübergestellt und mit ihnen bezüglich ihrer Aussagefähigkeit verglichen werden.

Pulsdiagnose in tibetischen Medizintexten

Die Pulsdiagnose ist die wichtigste diagnostische Methode der tibetischen Medizin. Bislang gibt es eine Reihe von zusammenfassenden Darstellungen, die fast ausschließlich die Sichtweise des wichtigsten Werkes der tibetischen Medizin, des Rgyud bzhi, wiedergeben. Das dem zugrunde liegende Pulskapitel des Rgyud bzhi liegt auch in einigen Übersetzungen vor. Es gibt jedoch bislang keine wissenschaftliche Forschungsarbeit, die die Pulsdiagnose umfassend untersucht. Während des auf zwei Jahre konzipierten Projekts soll auf der Grundlage einer breiten quellenkritischen Analyse erstmals eine umfassende Untersuchung der Pulsdiagnose der tibetischen Medizin erarbeitet werden, die die Entwicklung der Vorstellungen dieser diagnostischen Methode sowohl in Hinblick auf deren systematische Darstellungen als auch deren konkrete Ausführung in anwendungsbezogenen Texten, wie sie in der tibetischen medizinischen Literatur tradiert werden, aufzeigt. Diese beiden Hauptaspekte, die Bewertung der theoretischen und der praktischen Ansichten, sowie ihrer Mischformen in Texten, die beides vereinen, sollen zu einer historisch-kritischen Abhandlung zusammengeführt werden, die zudem auch den Hintergrund des politisch-historischen und ideengeschichtlichen Prozesses der tibetischen Medizin mit einbezieht. Dies beinhaltet daher auch eine Einschätzung der Pulsdiagnose in Relation zu den verschiedenen Entwicklungsphasen der tibetischen Medizin und den unterschiedlichen Medizinschulen Tibets.

Grundsätzlich teilt sich die Bearbeitung des Materials in zwei thematische Schwerpunkte:

  • die Analyse der Medizinabhandlungen mit systematischen Darstellungen der Pulsdiagnose und
  • die Analyse der pulsdiagnostischen Aussagen in anwendungsorientierten Texten.

Der letztere der beiden Schwerpunkte kann weiter unterteilt werden in die Untersuchung jener Abhandlungen, die außer dem klinisch orientierten Teil auch eine eigene systematische Darlegung aufweisen, und jene ausschließlich anwendungsorientierten Texte ohne jegliche systematische Darstellung theoretischer Konzepte.

Es scheint von Nutzen, die folgenden Zeitabschnitte bei der Untersuchung der ausgewählten Medizintexte anzusetzen, womit zugleich die bis auf weiteres anzunehmende Periodisierung des Materials vorgenommen ist:

1. Früheste Zeugnisse – Dunhuang-Material und das Zla ba’i rgyal po (ca. 8.–10. Jahrhundert)
2. Neue Einflüsse – Nāgārjuna und Skyes bu Me lha (11. Jahrhundert)
3. Die Formierung der tibetischen Medizin – Das Rgyud bzhi von G.yu thog Yon tan mgon po und das ’Bum bzhi von Dpyad bu khri shes (12. Jahrhundert)
4. Die Kommentare zum Rgyud bzhi und von ihm beeinflusste Abhandlungen:
4.1. Familientradition – Der Kommentar der Brang ti-Medizinschule (14. Jahrhundert)
4.2. Die Vielfalt der Meinungen – Die Kommentare und Abhandlungen der Gong sman-, Byang lugs- und Zur lugs-Medizinschulen (15.–16. Jahrhundert)
4.3. Die Standardisierung der Vielfalt – Die Kommentare der Dga’ ldan pho brang-Regierung und der ’Bri gung pa-Medizinschule (17. Jahrhundert)
4.4. Die Implementierung des Standards I – Die Kommentare und Abhandlungen des 18. Jahrhunderts
4.5. Die Implementierung des Standards II – Die Kommentare und Abhandlungen des 19. Jahrhunderts und vom Anfang des 20. Jahrhunderts

Das Ziel des Projektes ist eine umfassende monographische Darstellung der Pulsdiagnose, die neben einer eingehenden Analyse der pulsdiagnostischen Ansichten auch die Edition und Übersetzung einer Auswahl relevanter Texte beinhaltet.

Diese zu editierenden und zu übersetzenden Texte umfassen:

1. Zla ba’i rgyal po von Nāgārjuna
2. Ti ka rnam drug von Nāgārjuna
3. Rtsa yig nyi zer sgron me von Nāgārjuna
4. Snyan brgyud be’u bum nag po von Skyes bu Me lha
5. Rgyud bzhi von G.yu thog Yon tan mgon po
6. Phyi rgyud kyi dka’ ’grel dgos ’dod ’byung ba von Byang ba Rnam rgyal grags bzang
7. Phyi rgyud kyi ’grel pa tshig don rab tu gsal ba yid bzhin nor bu von Byar po pan chen Rdo rje pha lam
8. Phyi ma ’phrin las rgyud kyi dka’ ba’i gnad gsal ’grel chen don gsal sgron me
von Mtsho smad mkhan chen alias Ska ba Shakya dbang phyug
9. Rtsa brtag (*Nāḍīparīkṣā) von Dānendra
10. Rgya nag lugs kyi reg pa rtsa brtag pa gsar ’gyur von Chos kyi ’byung gnas; hrsg. von Karma tshe dbang kun khyab

Die Analyseergebnisse, die zu edierenden Texte und die Übersetzungen sollen in einer englischsprachigen Monographie zusammengefasst und veröffentlicht werden.

Jitāri: Eine kritische Ausgabe, Übersetzung und historisch-philosophische Studie auf der Grundlage einer neuen Handschrift aus dem China Tibetology Research Center (Beijing)

Es ist seit längerer Zeit bekannt, dass viele seltene Sanskrit-Manuskripte in Lhasa erhalten sind. 1961 wurde eine Sammlung von 250 Manuskripen an die Bibliothek des Palasts der Nationalen Minderheiten in Beijing übersandt. Ein großer Teil der Manuskripte wurde 1993 an Lhasa zurückgegeben, 1987 sind sie jedoch fotokopiert und mikrofilmiert worden. Diese Fotokopien und Mikrofilme werden im China Tibetology Research Center (CTRC) in Beijing aufbewahrt. Eine unlängst geschlossene Vereinbarung zwischen dem CTRC und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat bereits zwei bedeutende Publikationen ermöglicht: Jenendrabuddhi’s Pramāṇasamuccayaṭīkā (ch. 1) und Dharmakīrti’s Pramāṇaviniścaya (ch. 1 & 2). (siehe auch Steinkellner 2004, Franco 2006). Weitere Veröffentlichungen auf der Grundlage dieser wertvollen Materialien sind in Vorbereitung. Dennoch unterliegt der Zugang zu diesen seltenen Dokumenten außerordentlich strengen Beschränkungen. Wir (mein Mitarbeiter Dr. Chu und ich) haben das große Glück, Zugang zu einem größeren Manuskript gewährt zu bekommen (218 Blätter, siehe auch den Bericht im Anhang 2), das mehrere Werke des Philosophen Jitāri (ca. A.D. 940-980) enthält, von denen einige bisher völlig unbekannt waren. Jitāri ist ein bedeutender buddhistischer Philosoph, der in der späteren geschichtlichen Periode der südasiatischen buddhistischen Philosophie einen bedeutenden Einfluss gehabt hat. Dennoch war unser Wissen über Jitāri bis in die jüngste Zeit hinein sehr begrenzt. Bei der vorbereitenden Lektüre von Teilen des Manuskripts konnte festgestellt werden, dass mindestens elf Werke in diesem Manuskript enthalten sind:

1. Jātinirākti
2. Sāmānyanirārkṛti
3. Īśvaravādimataparīkṣā
4. Avayavinirākaraṇa
5. Vedaprāmāṇyanirākṛti
6. Vijñaptimātratāsasiddhi
7. Apohasiddhi
8. Kṣaṇabhaṅgasiddhi
9. Dvijātidūṣaṇa
10. Bhāvikāraṇavāda
11. Śrutikartṛsiddhi

Der Wert dieser seit Kurzem zugänglichen Materialien kann nicht überschätzt werden. Sie werden unser Wissen nicht nur über Jitāris Gedankenwelt, sondern auch über seine historische und philosophische Beziehung zu anderen Autoren bedeutend bereichern. Sie werden uns zu einem besseren Verständnis der späteren Periode der buddhistischen Philosophie in Südasien verhelfen. Das Ziel des Projekts ist es, einen Gesamtüberblick über das Manuskript zu erarbeiten, kritische Editionen und Übersetzungen einiger der oben aufgeführten Abhandlungen und eine historisch-philosophische Untersuchung anzufertigen.

Logik, Dialektik und Epistemologie der Nyāya Tradition: Eine kritische Ausgabe des fünften Kapitels der Nyāyasūtra und Nyāyabhāṣya

Der Nyāya („methodisches Denken,” „Logik”) ist eine der wichtigsten Traditionen der klassischen indischen Philosophie. Während der Kuṣāṇa-Dynastie (1.-3. Jh.) und der frühen Gupta-Herrschaft in Südasien (4.-6. Jh.) entwickelte sich die Nyāya-Tradition mit einer starken Betonung von Logik, Erkenntnistheorie und Metaphysik zu einem vollständigen philosophischen System. Seine autoritative, grundlegende Schrift, das Nyāyasūtra, besteht aus fünf Kapiteln und wird dem Weisen Akṣapāda aus der Gotama-Sippe zugeschrieben. Gegen Mitte des 5. Jh. wurde der Text von anonymen Redaktoren endgültig festgelegt und von Pakṣilasvāmin Vātsyāyana in der 2. Hälfte des 5. Jh. kommentiert. Vātsyāyanas Kommentar, das Nyāyabhāṣya, ist nicht nur für unser Verständnis der frühen Phase der Nyāya-Philosophie und der frühesten Form des Nyāyasūtras außerordentlich wichtig, sondern auch für die Erweiterung unseres Wissens von anderen dialektischen und philosophischen Traditionen, insbesondere in Bezug auf die früheren Traditionen der ānvīkṣikī („methodische Untersuchung”) und vāda („Argumentation,” „Disputation”). Trotz seiner unbestreitbaren Bedeutung ist das Nyāyabhāṣya immer noch nicht kritisch ediert. Der große Bedarf einer wahrlich kritischen Ausgabe wird von einem vom Österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) geförderten Projekt, welches seit 2004 in Wien unter der Leitung von Prof. Karin Preisendanz läuft, erwiesen. Das hier Projekt wurde als Vervollständigung des Wiener Projektes, welches sich nur auf die ersten drei Kapitel beschränkt, konzipiert. Es bezweckt eine kritische Ausgabe des fünften Kapitels, das sich mit jāti (“ausgeklügelte Erwiderung”) und nigrahasthāna („Stellen der Niederlage“ in einer öffentlichen Debatte) beschäftigt. Wenn erfolgreich, wird ein weiteres Projekt zum vierten Kapitel geplant, damit eine vollständige kritische Ausgabe des Nyāyasūtra und -bhāṣya der Forschung zugänglich wird. Um den historischen und kritischen Text zu etablieren, werden etwa 35 Handschriften des Nyāyabhāṣya, dessen Kopien meistens bereits erworben sind, zusammengetragen. Wir werden uns weiterhin bemühen, Kopien von einigen anderen bekannten Handschriften anzufertigen bzw. weitere noch nicht bekannte Exemplare zu lokalisieren. Ebenso werden auch sekundäre Zeugnisse systematisch erfasst. Für die Kollationierung der Handschriften und die Herstellung der kritischen Ausgabe sowie des stemma codicum  werden spezielle Computerprogramme, welche die komplexen und ausführlichen Daten verarbeiten und die genealogische Analyse der Handschriften bewältigen können, verwendet. Der resultierende Text wird sowohl ein verlässliches Werkzeug für zukünftige Studien der Nyāya-Philosophie sein als auch die Basis für eine neue Übersetzung mit tiefgehenden historischen und philologischen Anmerkungen.

Drigung ('Bri-gung) in der Zeit zwischen dem 11. und 17. Jahrhundert

Abschlussbericht

Das Forschungsprojekt untersuchte den Mönchsorden der 'Bri gung pa, der das religiöse und politische Geschehen im tibetischen Mittelalter entscheidend mitgestaltete und prägte. Mittels der Bearbeitung einer Vielzahl textlicher Quellen sollte die politische Wirkungsgeschichte dieser tibetischen Schulrichtung nachgezeichnet und beurteilt werden.

Bei der Auswertung und Einschätzung der zahlreichen Quellen zum 'Bri gung pa-Mönchsorden hat sich eine zweigliedrige Herangehensweise als zweckmäßig erwiesen. Zum einem wird eine chronologische Abfolge, basierend auf der Aufeinanderfolge der Äbte von 'Bri gung thel, als 'roter Faden' genutzt, um den Wandel und auch die stets von den Vertretern dieses Ordens neu gefundene und neu formulierte Tradition über die Jahrhunderte zu verfolgen. Zum anderen wurden thematisch-inhaltliche Schwerpunkte gesetzt, die die Besonderheiten der 'Bri gung pa beleuchten und zu verstehen helfen. Beide sind im Folgenden im Einzelnen aufgeführt.

Die genealogischen Wurzeln des Skyu ra-Klans wurden eingehend untersucht und werden in der geplanten Publikation zu Beginn aufgezeigt. Es hat sich herausgestellt, dass es wichtig ist, diese zu verstehen, da mit dem Gründer 'Jig rten mgon po auch eine Onkel-Neffe-Abfolge für den Posten des Oberhaupts dieses Mönchsordens eingeführt wurde. Verschiedene Entscheidungen, gerade in der Anfangsphase, lassen sich nur vollständig verstehen, wenn man diesen Umstand mit in die Bewertung einfließen lässt. Auch für die späteren Entwicklungen bis zum 18. Jahrhundert blieben sie ein Einflussfaktor und waren eng mit den System(en) des Machtwechsels, das von den 'Bri gung pa entwickelt wurde, verknüpft. Dabei konnten drei Phasen unterschieden werden. War zu Beginn die schon angesprochene Onkel-Neffe-Abfolge prägend, wurde diese später teilweise von einen Vater-Sohn-Abfolge abgelöst, um schließlich in einer, wie auch von anderen Mönchsorden favorisierten, Abtsfolge von Inkarnationen zu münden. Die Ursachen für diese Entwicklungen konnten analysiert und die 'Bri gung pa-spezifischen Vor- und Nachteile aufgezeigt werden. Eine detaillierte Betrachtung der Anfangszeit der 'Bri gung pa konzentriert sich auf die Gründerfigur 'Jig rten mgon po und seine zahlreichen Schüler. Es konnte aufgezeigt werden, dass sie den Grundstein für die Entwicklung des Ordens in den darauffolgenden Jahrhunderten legte.

Die besondere Beziehung zwischen den 'Bri gung pa und den Phag mo gru pa bildete ein Schwerpunkt für die wissenschaftliche Einschätzung der 'Bri gung pa in der Frühzeit des tibetischen Mittelalters, hier vor allem in der Zeit des 13. und 14. Jahrhunderts. Es konnte gezeigt werden, dass die Anfangszeit, in der beide sowohl religiös-politisch als auch personell und institutionell verbunden waren, spätestens unter Byang chub rgyal mtshan Risse bekam. Der darauffolgende Aufstieg von Byang chub rgyal mtshan zur mächtigsten politischen Führungsgestalt ging mit einen Niedergang der 'Bri gung pa als überregionale Macht einher.

Diese Beschränkungen, so kann nachgewiesen werden, wurde allerdings teilweise sehr gut genutzt. Die bestehenden religiös-politischen Verbindungen und Beziehungen wurden gestärkt und teilweise sogar neue ins Leben gerufen. Es wäre jedoch andererseits verfehlt, diese Periode nur als prosperierend darzustellen. Vielmehr wird sie auch durch heftige innere Rivalitäten gekennzeichnet, die sowohl politischer als auch religiöser Natur waren und zu bleibenden Veränderungen führten. Beispielsweise wurde der Posten des weltlichen Administrators, des sgom pa, zugunsten einer kombinierten weltlich-religiösen Herrschaft (bla dpon) abgeschafft. Ebenfalls wäre in diesem Zusammenhang der Versuch zu vermerken, eine Vater-Sohn-Abfolge anstelle der bislang bevorzugten Onkel-Neffe-Abfolge für die Herrschaftssicherung zu etablieren. Auch wenn diese Konzentration der säkularen und klerikalen Macht in einer Person auf den ersten Blick eine Stärkung des 'Bri gung pa-Ordens suggeriert, ergab eine Auswertung der historischen Quellen, dass dieser Prozess mit einem tiefen Bruch und anhaltenden Spannungen innerhalb der 'Bri gung pa einherging. Allgemein gesagt, kann man diese Zeit als eine Periode des Niedergangs beziehungsweise der nachhaltigen Schwächung der 'Bri gung pa betrachten.

Im 15. Jahrhundert bemühte man sich um Wiederbelebung und Erneuerung des doktrinären Lehrgebäudes der 'Bri gung pa, das in der Zwischenzeit Zerfallstendenzen aufgewiesen hatte. Dieser Umstand ist von hoher Bedeutung, da solch eine Erneuerung ein wiederkehrender Grundzug in der religiösen Identität dieses Ordens wurde, wie man vor allem bei Kun dga' rin chen (1475-1527) und Chos kyi grags pa (1595-1659) sehen kann. Die ersten Jahrzehnte im 16. Jahrhundert standen für die 'Bri gung pa dann ganz unter dem Einfluss von Kun dga' rin chen. Die Quellenlage für diese Zeit erwies sich als sehr ergiebig, sodass diese Periode eingehend studiert werden konnte. Hervorzuheben ist natürlich die sich herausbildende Beziehung der 'Bri gung pa mit dem Herrscherhaus der Rin spungs pa, die mit dem Treffen des 'Bri gung pa-Abtes mit dem Rin spungs pa- Herrscher Don yod rdo rje (1463-1512) im Jahr 1500 beginnt und für den gesamten Zeitraum bis zum Ende dieses Adelshauses Bestand hatte. Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Rin spungs pa für diese Phase der tibetischen Geschichte wurden ihre politischen Entscheidungen und diejenigen der 'Bri gung pa eingehend untersucht.

Da Rin chen phun tshogs (1509-1557) von großem Gewicht für die Fortentwicklung der 'Bri gung pa war, bildete die Einschätzung seiner Persönlichkeit einen weiteren Fokus dieser Arbeit. Es wurde eine detaillierte Darstellung und Wertung seiner Aktivitäten erarbeitet, die seine relativ kurze Zeit auf den Abtsthron und die länger darauffolgende zeitliche Periode bis zu seinen Tode thematisiert. 1534 war er gezwungen, zugunsten von Rin chen rnam rgyal abzudanken, der den Phag mo rtse alias Khang gsar nang so, einen Seitenzweig der die 'Bri gung bestimmenden Familie, repräsentiert. Dies verweist auf den schwersten inneren Konflikt, der die 'Bri gung pa für lange Zeit begleitet - die Konkurrenz zwischen den Phag mo rtse und den Spro lung alias Thog kha nang so. Dieser Zwist überlagerte, beziehungsweise beeinflusste fast alle wichtigen Entscheidungen, die im 16. Jahrhundert von den 'Bri gung pa-Würdenträgern getroffen wurden. Es wurde daher versucht, die Hintergründe und den Verlauf dieses Widerstreits aufzuzeigen.

Die mittleren Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts wurden von Rin chen rnam rgyal (1519-1576) bestimmt. Unterstützt von seinen Vorgänger Rin chen phun tshogs griff Rin chen rnam rgyal aktiv in das Geschehen um die erzwungene Abdankung des Phag mo gru pa-Herrschers Ngag dbang bkra shis grags pa (1488-1563/64) und die nachfolgende Installation von Ngag dbang grags pa (1532/38-1603/04), einem der wichtigsten Ereignisse des 16. Jahrhunderts, zugunsten von ersterem ein. Mit diesem Entschluss und den damit verbundenen Entwicklungen legte er den Grundstein für eine gewisse, wenn auch eingeschränkte und bei weitem nicht dominierende, Vormachtstellung in der zentraltibetischen Region. Man kann dies als Verwirklichung der Machtpolitik, deren Ansätze von Kun dga' rin chen gelegt worden sind, betrachten. Die Einzelheiten, wie dies geschah, wie zum Beispiel die militärischen Auseinandersetzungen, die Bündnispolitik und ähnliches, werden in der abschließenden Publikation dargelegt.

Während diese Phase von Vertretern der Phag mo rtse-Linie geprägt wurde, kam nach heftigen Auseinandersetzungen Chos rgyal Phun tshogs bkra shis (1547-1602) an die Macht, der die Spro lung-Linie repräsentiert. Es konnte gezeigt werden, dass er im Großen und Ganzen die Bündnispolitik seiner Vorgänger fortsetzte, was sicher einen besonderen Ausdruck in der Identifikationen eines seiner Söhne als 6. Zhva dmar Chos kyi dbang phyug (1584-1630) fand. Nach innen jedoch setzte er zahlreiche neue Akzente, die den Konflikt mit der Phag mo rtse-Linie weiter fortsetzen.

Wie schon sein Vater Rin chen phun tshogs, hatte Phun tshogs bkra shis eine starke spirituelle Verbundenheit zu Rnying ma pa-Lehren. Diese Eigenheit in der 'Bri gung pa-Tradition wurde besonders untersucht, da sie von tiefgreifender Bedeutung für die religiöse Identität dieser tibetischen Schulrichtung wurde. Es wurde versucht, den Prozess, wie Rnying ma pa-Lehren innerhalb der 'Bri gung pa Eingang fanden, und ebenfalls die Tragweite, die sich nicht nur auf eine identitätsstiftende Funktion innerhalb der 'Bri gung Bka' brgyud pa beschränkte, sondern auch ihre Verankerung im politischen Leben Tibets mitbestimmte, aufzuzeigen. In der Untersuchung konnte gezeigt werden, dass dieser Prozess graduell war und in mehreren Phasen ablief.

Mit der Sieg der Dge lugs pa und ihrer Verbündeten ging eine grundsätzliche Neuordnung der politischen Lage Zentraltibets einher. Es wurde herausgearbeitet, wie sich die 'Bri gung pa in der Übergangszeit und in der darauffolgenden Phase der Konsolidierung dieser neuen Hegemonialmacht religiös und politisch positionierten und bis zu einen gewissen Grade 'neu' erfanden. Dieser Prozess, der schon unter Chos kyi grags pa (1595-1659/1660) begann und von seinen Nachfolger Dkon mchog 'phrin las bzang po (1656-1718) fortgesetzt wurde, bildet, so wird in der anstehenden Studie argumentiert, die Grundlage für das innere und äußere Erscheinungsbild dieses Mönchsordens im 18. Jahrhundert.

In diesen Zusammenhang wurden auch geopolitische Aspekte herausgearbeitet, die vor allem die lebenswichtige Anbindung an die 'Bri gung pa-Niederlassungen in Osttibet aufzeigen. Dies waren nicht nur die traditionellen Beziehungen, die auf Skyu ra-Klanbeziehungen beruhten, sondern auch weiter gefasste, die kontinuierlich erneuert und neu ausgerichtet werden mussten, wie es sich am 2. Mgar chen Dkon mchog bstan 'dzin phun tshogs alias Bstan 'dzin phun tshogs exemplarisch zeigen lässt. Dies stellt ein signifikanten Aspekt dieser Arbeit dar, der sich im Lauf der Untersuchung immer mehr in seiner Bedeutung offenbarte und daher zu einem wichtigen Teil der Untersuchung wurde.

Einige der zahlreichen Inkarnationslinien innerhalb der 'Bri gung Bka' brgyud pa besaßen jedoch einen ausgeprägten überregionalen Einfluss und formten ein unverzichtbares politisch-administratives Netzwerk der 'Bri gung pa. Es war Teil der politischen und ökonomischen Überlebensstrategie, die die 'Bri gung pa im 17. Jahrhundert entwickelten und kontinuierlich ausbauten und festigten, um nicht nur auf die zentraltibetischen Gebiete angewiesen zu sein, was besonders angesichts der wachsenden Hegemonie des Dge lugs pa-Ordens eine weise Entscheidung war. Dieses Netzwerk aus Inkarnationslinien wurde auch in den folgenden Jahrhunderten beibehalten und noch ausgebaut.

A study on the Buddhist theory of perception based on Dharmakīrti’s Pramāṇavārttika, chapter III: A critical edition, translation and study of Pramāṇavārttika III 1-122 and 281-300

Das Projekt ist abgeschlossen. Folgende Publikationen resultierten aus dem Projekt:

  • Miyako Notake, “Dharmakīrti’s Argument over the Universal in the Third Chapter of the Pramāṇavārttika, vv. 11-50.” Journal of Indian and Buddhist Studies. 2011: 171-176.
  • Eli Franco, Perception of Yogis - Some Epistemological and Metaphysical Considerations. In: H. Krasser et al. (eds.), Religion and Logic in buddhist Philosophical Analysis. Proceedings of the 4th International Dharmakīrti Conference, Vienna 2011: 81-98. [The main research on this paper was done before the project started, but the paper has been revised in 2010]
  • Eli Franco, How to Distinguish between Non-existing Entities? Dharmakīrti and Prajñākaragupta on Universals as Objects of Knowledge. Forthcoming in Rocznik Orientalistyczny 2012: 51-62 [Page numbers according to proofs]
  • Eli Franco and M. Notake, Dharmakīrti on the Duality of the Object. LIT Verlag, Berlin 2014, xv+173 pp. (Mit einem Vorwort von Pirmin  Stekeler-Weithofer).

Eine Untersuchung zur Kausalität im Pratyabhijñā-System. Kritische Edition, Übersetzung und Studie von Abhinavagupta’s Īśvarapratyabhijñāvimarśinī , Adhikāra II, Āhnika 4.

  • Finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG
    Dauer: 3 Jahre
    Beginn: 1.12.2010
    Projektleiter: Prof. Dr. Eli Franco
    wissenschaftliche Mitarbeiterin: Isabelle Ratié

Das Pratyabhijñã-System, das von den kaschmirischen Śaiva-Philosophen Utpaladeva (fl. 925-950) und Abhinavagupta (fl. 975-1025) ausgearbeitet wurde, stellt eine der großartigsten philosophischen Leistungen in der Geschichte des indischen Denkens dar. Während jedoch Utpaladevas Werke in hervorragender Weise von Raffaele Torella erforscht und übersetzt worden sind, ist das wesentlich umfangreichere Werk Abhinavaguptas bis dato unzureichend und teilweise inadäquat untersucht worden. Die umfangreichsten Texte im Corpus der Pratyabhijñã
sind Abhinavaguptas Īśvarapratyabhijñāvimarśinī (ĪPV) und Īśvarapratyabhijñāvivr̥tivimarśinī (ĪPVV). Sie harren noch der kritischen Ausgabe und zuverlässigen Übersetzung.

Für das Verständnis des ĪPV und ĪPVV ist eine zweifache Kompetenz vonnöten: Einerseits benötigt man solides Wissen auf dem Gebiet der religiösen Śaiva-Tradition und anderereits eine umfangreiche Kenntnis der indischen Philosophie, besonders der buddhistischen Epistemiologie, wie sie von Dharmakīrti und seinen Anhängern dargelegt worden ist, aber auch der brahmanischen Systeme von Nyāya, Sāṃkhya und Advaita Vedānta, die einen wichtigen Hintergrund für Abhinavaguptas philosophisches Denken bilden. Diese philosophischen Schulen sind Bezugsrahmen und unmittelbares Ziel der polemischen Argumentation Abhinavaguptas und werden von ihm sehr viel detaillierter diskutiert als dies in anderen Śaiva-Traditionen, wie zum Beispiel dem Śaiva Siddhānta, geschieht. Das gegenwärtige Projekt beabsichtigt, diese doppelte Kompetenz durch die Zusammenarbeit zweier Wissenschaftler zu erreichen, von denen der eine sich auf kaschmirischen Śaivismus spezialisiert hat (Ratié) und der andere auf klassische indische Philosophie (Franco).

Ziel dieses Projektes ist es, das Kapitel mit dem Titel „Erklärung der wahren Natur von Ursache und Wirkung“ (kāryakāraṇatattvanirūpaṇa ) kritisch zu edieren, zu übersetzen und zu untersuchen. Dies ist ein besonders dichtes Kapitel. Darüber hinaus werden wir das parallele Kapitel der ĪPVV benutzen, um zu einem besseren Verständnis der schwer verständlichen Passagen und Anspielungen in der ĪPV zu gelangen. Abhinavagupta offenbart eine präzise und profunde Kenntnis der Lehren seiner Opponenten. Das 4. Kapitel bietet daher einen faszinierenden Überblick über die unterschiedlichen Positionen, die indische Philosophen in Bezug auf die Kausalität einnehmen. Die Studie zielt jedoch auf mehr als ein bloßes philosophisches Panorama jener Zeit: Das vorgeschlagene Projekt wird nicht nur die ständige Wechselwirkung zwischen den unterschiedlichen philosophischen Traditionen in Indien (und hier besonders den bedeutenden Einfluss der buddhistischen epistemiologischen Tradition auf die Pratyabhijñã) veranschaulichen, sondern auch die Eigenständigkeit des Kausalitätsbegriffes in der  Pratyabhijñã darlegen und die Auswirkungen dieses Begriffes auf die Gebiete der Epistemiologie, der Logik, der Ontologie und der Ethik hervorheben.

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