Die Leipziger Sozial- und Wirtschaftsgeschichte versteht sich als streng quellenbasiert und empirisch arbeitende historische Fachrichtung.

Unser Profil

Als streng quellenbasierte und empirisch arbeitende historische Fachrichtung beschäftigt sich unsere Professur mit sozialen und ökonomischen Sachverhalten, indem sie Daten wie Preise und Löhne, Bevölkerungszahlen, Importe und Exporte ecetera in langen Reihen erhebt und untersucht. Die Verarbeitung der Daten geschieht mithilfe grundlegender statistischer Verfahren und Anwendungen wie Spreadsheets (beispielsweise MS Excel) oder Datenbankprogrammen (beispielsweise SPSS). Zu den verwendeten Quellen gehören nicht nur Kurszettel, Wechselkurse, Preiskuranten und Lohnserien, sondern auch religiöse Flugschriften der Reformationszeit, Zeitungen, Urkunden, Akten, Münzen und vieles mehr.

Spezifische Themenschwerpunkte

  • Resilienz und Resilienzmanagement 
  • Handelsgeschichte Europas in der vorindustriellen Zeit 
  • Geschichte des internationalen Zahlungsverkehrs bis 1914
  • Oberdeutsche Familienunternehmen und ihre Geschäftsstrategien in vorindustrieller Zeit 
  • Geschichte der Messen, Banken, Börsen, Weltausstellungen und Handelskammern 
  • Die Entwicklung der Seeversicherung vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Die Teilnehmenden des Leipzig Resilience Hub sitzen gemeinsam im Universitätsarchiv Leipzig.
Resilience Training Seminar (ReTS), Leipzig 2019

Das Leipzig Resilience Hub (LRH)

Beim Leipzig Resilience Hub handelt es sich um eine vornehmlich virtuelle, interdisziplinäre Plattform der Resilienz-Forschung und ihrer Implikationen für traditionelle und moderne Gesellschaften, zur Erarbeitung und Anwendung innovativer methodischer Zugänge und zur theoretischen Durchdringung eines in einer immer größeren Zahl von Disziplinen diskutierten Forschungsparadigmas, und dies in einem über den Wissenschaftsstandort Leipzig weit hinausgreifenden, nationalen und internationalen Kontext.

Sein Vorhaben ist es, die breit gefächerte, interdisziplinäre Leipziger Resilienz-Forschung stärker als bisher zu vernetzen und in einen theoretisch wie methodisch facettenreichen Resilienz-Diskurs zu integrieren, denn am Wissenschaftsstandort Leipzig wird Resilienz bereits in so vielen verschiedenen Institutionen und Perspektiven wie in kaum einer anderen deutschen Hochschulstadt erforscht. 

Ziele des Leipzig Resilience Hub

  • Bereitstellung einer Forschungsplattform für einen intensiven, interdisziplinären Diskurs zur Erforschung von Resilienz in ihren maßgeblichen Facetten.
  • Veröffentlichung von einschlägigen Studien.
  • Organisation von wissenschaftlichen Konferenzen unterschiedlichen Formats und Vermittlung dieses innovativen Forschungsparadigmas innerhalb der Leipziger Hochschullandschaft, auch über die Lehrveranstaltungen für Studierende verschiedener Disziplinen und Institutionen hinaus (Wissenschaftsnacht, Ringvorlesungen ecetera)
  • Nationale und internationale Visibilisierung der Leipziger Resilienz-Forschungen (unter anderem Präsenz auf internationalen Konferenzen).
  • Begleitende Vorbereitung eines DFG-Verbundantrags zur Resilienz-Forschung bis 2021.
  • Bei erfolgreicher Einwerbung eines derartigen DFG-Verbundprojektes mittel- bis langfristiger Ausbau des Leipzig Resilience Hub zu einem Forschungsprofilbereich der Universität Leipzig.

Weiterführende Informationen zu den Mitgliedern, Forschungsprojekten und Tagungen finden Sie auch auf der Webseite des Leipzig Resilience Hub.

Eine Einführung in die Theorie und Verwendungsmöglichkeiten des Resilienz-Paradigmas in der Wirtschaftsgeschichte gibt Prof. Denzel in seiner Miszelle:

  • Markus A. Denzel
    „Beharrungskraft und Anpassungsleistungen wirtschaftlicher Systeme angesichts schockartiger Umbrüche – oder: Von der Resilienz zum Resilienz-Management”, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 105/4, 2018, Seiten 528 – 547.
zur Vergrößerungsansicht des Bildes:
Leipzig Resilience Hub, Foto: LRH

Projekte des Leipzig Resilience Hub

Das Resilienz-Management der oberdeutschen Hochfinanz im Kommerzialisierungsprozess: Die Fugger, Imhoff, Paumgartner, Behaim und Rehlinger, ca. 1520–1630

Projektleitung: Prof. Dr. Markus A. Denzel
Projektmitarbeitin: PD Dr. Mechthild Isenmann
Kooperationspartner: Prof. Dr. Dietmar Schiersner 

Der Kommerzialisierungsprozess des 16. Jahrhunderts beeinflusste die Unternehmen der oberdeutschen Hochfinanz, die sich seit dem 14. Jahrhundert herausgebildet hatte, in doppelter Weise: Zum einen machte er enorme Anstrengungen erforderlich, um das jeweilige Unternehmen so resilient werden zu lassen, dass es im relativ kleinen Kreis der internationalen Hochfinanz dauerhaft bestehen konnte (≈ ecosystem resilience). Und zum anderen war er ein Antrieb dafür, dass sich große Handels- und Montanunternehmen mehr und mehr aus ihrem bisherigen Geschäftsbereich zurückzogen und im Sinne von Innovationsmanagement auf Finanzgeschäfte verlegten, eben um ihr Unternehmen resilient zu machen (≈ engineering resilience). Dies lässt sich am Augsburger Handels- und Bankhaus Fugger exemplarisch verdeutlichen: Es war spätestens seit der Wahl Karls V. 1519 Teil der deutschen Hochfinanz, musste sich – nach der Schlacht von Mohacs 1526 als zentralem disruptiven Ereignis in seinem bisherigen Geschäftsfeld nachhaltig beeinträchtigt – dort behaupten, suchte nach neuen Möglichkeiten zur Kapitalanlage und drang mit seinem Engagement für die spanischen Kronfinanzen immer weiter in den Kreis der europäischen Hochfinanz vor. Es wird daher die forschungsleitende These aufgestellt, dass die allmähliche Herauslösung einer großen Unternehmung aus ihren traditionellen Handlungssektoren unter Hinwendung zur Kapitalanlage in (Staats)Finanzgeschäften trotz der hohen Risiken ebenso eine zentrale Resilienz-Strategie sein konnte wie die Geldanlage in Boden und sozialem Kapital. Diese Strategien wurden freilich von anderen Adaptionen – vor allem der Intensivierung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und dem sukzessiven Übergang zu einer (weitgehend) doppelten Buchführung – begleitet.

Diese These wird an fünf herausragenden oberdeutschen Handelshäusern überprüft, die sämtlich der Hochfinanz angehörten und auch miteinander in Geschäftsbeziehungen standen. Dabei wurde den Fuggern seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert die größte Aufmerksamkeit der Wirtschaftshistoriker zuteil, wobei eine systematische Untersuchung aller vorhandenen buchhalterischen Unterlagen nach Inhalt und formaler Gestaltung bislang nicht erfolgt ist. Somit sind weder die unternehmensinterne Entwicklung noch der Stand der Buchhaltungstechnik in hinreichender Detailliertheit erforscht, was für die Zeit nach 1560 noch stärker als die Jahrzehnte zuvor gilt. Für die übrigen Unternehmungen sind überhaupt erst einige wenige Ansätze zu einer vertiefenden Erforschung unternommen worden und allenfalls ein Bruchteil des verfügbaren Quellenmaterials ausgewertet. Für sämtliche Unternehmen wird die verfügbare buchhalterische Überlieferung und Korrespondenz, die Testamente und Gesellschafterverträge sowie die gedruckt vorliegenden Handelspraktiken der Paumgartner und der Fugger insoweit herangezogen, als sie direkt oder indirekt nähere Aussagen zum jeweiligen Resilienz-Management zulassen.

Allein die (wiederholte) Anfertigung von übergreifenden Rechnungen und Inventuren sowie Handelspraktiken belegt das Erfordernis von Situationsanalysen, von denen ausgehend der Unternehmer seine Ziele und Strategien neu orientieren konnte. Die bisherigen stichprobenartigen Vorarbeiten zu diesen Quellen(gruppen) zeigen weiterhin, dass die ausgewählten Unternehmungen im Gefolge des Kommerzialisierungsprozesses zunehmend neue Medien der Buchhaltung (etwa „Bilanz“), des Zahlungsverkehrs (Wechsel) und des professionalisierten Wissensmanagements (z. B. Handelspraktiken) nutzten. Diese wurden damit zu wesentlichen Instrumenten sowohl von deren Resilienz-Management (im Sinne von adaptive resilience) als auch von deren Innovationsmanagement, da sie diese zugleich für die Stärkung ihrer Resilienz und ihren Einstieg in aus ihrer Perspektive innovative Geschäftszweige nutzten.
Die aus der Perspektive des Resilienz-Managements daher höchst aussagekräftigen, gleichwohl bislang überhaupt nicht oder nicht unter diesem Gesichtspunkt ausgewerteten Quellen(gruppen) werden durch spreadsheet-Analyse in einem neu entwickelten Verfahren in der Form von Kontenblättern aufbereitet, um zunächst die Situation der einzelnen Unternehmung, ihre Anpassungsfähigkeit und ihre Vulnerabilität gegenüber dem Kommerzialisierungsprozess zu analysieren. In einem zweiten Schritt werden, aufbauend auf der relationalen Untersuchung der verschiedenen Instrumente des Resilienz-Managements, Vergleiche zwischen den fünf Unternehmen bezüglich Unternehmensstrukturen, Handels- und Geschäftspraxis sowie dem unternehmerischen Handeln vorgenommen, daraus die jeweiligen Resilienz-Strategien und Methoden ihrer Umsetzung abstrahiert und nach ihrem Erfolg beurteilt. Dabei ist freilich noch offen, ob und inwieweit die für die untersuchten Unternehmen gefundenen Ergebnisse dann für die „oberdeutsche Hochfinanz“ an sich generalisierbar sind. Insgesamt zeigt dieses Projekt in einer Langzeitanalyse von den 1520er bis zu den 1590er Jahren die Herausbildung und Entwicklung von Resilienz-Strukturen einerseits auf der Ebene der Hochfinanz und andererseits im Raum der oberdeutschen Städte.

Resilienz-Management in Handel, Transport und Finanzwesen zwischen Elbe und Weichsel: Die Handelshäuser Loitz, Grieben und Lindholz, 1544–1576

Projektleitung:
Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Fouquet (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
Prof. Dr. Markus A. Denzel
Projektmitarbeiterin: Claudia Jäger M. A.
Kooperationspartnerin: Prof. Dr. Aleksandra Lipińska (Ludwig-Maximilians-Universität München)

Den Kommerzialisierungsprozess des 16. Jahrhunderts im Ostseeraum reflektiert besonders markant die umfangreiche Überlieferung der Stettiner Multi-Unternehmer Gebr. Loytz, der „Fugger des Nordens“. In einer Zeit sich umfassend wandelnder Handelsstrukturen agierten sie im internationalen Ochsen-, Getreide- und Salzhandel, als Transportunternehmer in der See- und Flussschifffahrt (insbesondere auf der Oder) und als „Hofbankiers“ Kurfürst Joachims II. von Brandenburg. Mit ihrem Import von französischem Baien-Salz über das Meer und im Gegenzug dem Export von Getreide aus Danzig nach Westeuropa waren sie aktive Gestalter der kommerziellen Veränderungen in Schlüsselsektoren des Ostseehandels in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, woraus sie ihre Finanzkraft für Kredite an den Kurfürsten und den regionalen Adel sowie zur Gewinnung von Monopolen für die „Besalzung“ Kurbrandenburgs und Schlesiens gewannen. Mit ihren internationalen Handels-, Transport- und Finanzdienstleistungen etablierten sie ein kommerzielles Netzwerk, das von südlich der Elbe bis zur Weichsel reichte und innerhalb dessen Joachim und Jacob Grieben aus Leipzig sowie Andreas Lindholz aus Berlin erstrangige Geschäftspartner und spätere Konkurrenten wurden. Trotz eines ausgedehnten Resilienz-Managements mittels Buchführung, zunehmendem Gebrauch von Versicherungen etc. in den 1550er und 1560er Jahren gelang es den Gebr. Loytz nicht, einen nachhaltigen Unternehmenserfolg zu gewährleisten: 1572 führten ihre enormen finanziellen Verpflichtungen zum Bankrott, als die polnische Krone ihren Darlehensverpflichtungen nicht mehr nachkam. Aus diesem Befund leitet sich als Hauptthese des Projektes ab, dass der regionale und internationale Streit um die Märkte im Ostseeraum, um die Freiheit der Schifffahrt auf der Oder und um die Teilhabe der polnischen Ritterschaft am internationalen Getreidehandel die Gebr. Loytz im Sinne eines aktiven ecosystem resilience-Managements veranlasste, enge finanzielle Beziehungen mit Grundbesitzern, Adligen und Fürsten aufzubauen, um die kommerzielle Expansion des Unternehmens voranzutreiben und langfristig zu sichern. Warum konnte diese hochriskante Resilienz-Strategie über mehr als 20 Jahre den Unternehmenserfolg garantieren, verfing aber dann in einem entscheidenden Moment nicht mehr?

Im Mittelpunkt der Analyse der sich im Sinne von adaptive resilience an die veränderten Handelsstrukturen anpassenden Geschäftspraxis der Gebr. Loytz stehen deren Rechnungsbücher (1566–1571) und Prozessakten (1572–1576) sowie ihre ausführliche Korrespondenz mit Jacob Grieben in Leipzig und Andreas Lindholz in Berlin, die über die Geschäftstätigkeit von den 1540er bis in die 1560er Jahre Auskunft geben. Hinzu kommen reichhaltige Bestände zur Tätigkeit der Loytz in der Salinenproduktion in Lüneburg und Wieliczka sowie in der Oderschifffahrt. Weder die Rechnungsbücher noch die Prozessakten wurden bislang einer spezifischen Analyse unterzogen, welche die Ergebnisse in einen breiteren Kontext von regionalen und internationalen Geschäftsbeziehungen eingebunden hätte. Aufgrund der Quellenfülle und -vielfalt bietet sich eine zeitliche Zweiteilung innerhalb des Projektes an: Im ersten Teil des Projektes werden der Auf- und zwischenzeitliche Abstieg der Loytz von 1544 bis 1559 analysiert, wobei vor allem die gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Joachim II. und Grieben aus Leipzig als Folge des misslungenen Ochsenhandels und das erste Engagement im Salinenwesen von Lüneburg und Wieliczka bei Krakau in den Blick genommen werden. Im zweiten Teil des Projektes, der die Jahre von 1560 bis 1576 umfasst, wird eine Mikroanalyse der Rechnungsbücher des Danziger Kontors der Loytz und ihrer Prozessakten nach 1572 angestrebt, ergänzt um die Auswertung der Korrespondenz der Loytz mit ihrem Berliner Geschäftspartner Lindholz. Die Kombination von Korrespondenz, Prozess- und Handelsakten mit den erhaltenen Rechnungsbüchern bildet ein geradezu ideales Quellenkorpus für die Analyse von Resilienz-Management from below als einem iterativen Prozess in seiner engen Verflechtung mit der Kommerzialisierung des 16. Jahrhunderts.

Der methodische Fokus des Projekts liegt auf einer detaillierten Quellenuntersuchung, die im Falle der Rechnungsbücher in Form einer spreadsheet-Analyse, bei den Prozessakten und Korrespondenzen in Regestenform vorgenommen wird. Inhaltlich konzentriert sich die Untersuchung auf die Frage, welche Resilienz-Strategien und -Instrumente mit welchem Erfolg eingesetzt wurden, wie sich diese im Zuge des Kommerzialisierungsprozesses veränderten und warum sie letztlich scheiterten. Kann dabei der schrittweise Einstieg der Gebr. Loytz in das riskante Finanz- und Kreditgeschäft als eine spezifische engineering resilience-Strategie interpretiert werden, oder bedurfte es verschiedener begleitender Strategien, um diese Risikoerhöhung abzusichern? Und welche traditionellen bzw. im Kommerzialisierungsprozess des 16. Jahrhunderts neu in den Ostseeraum eingeführten Resilienz-Instrumente kamen dabei – im Sinne von Innovationsmanagement – zum Einsatz?

Die Analyse der breitgefächerten unternehmerischen Tätigkeit der Gebr. Loytz unter Einbeziehung von zwei ihrer Geschäftspartner und Konkurrenten mit räumlichen Schwerpunkten in Stettin, Danzig, Leipzig, Berlin und Lüneburg bietet innerhalb des Gesamtforschungsvorhabens einen Kontrapunkt zu den großenteils auf den oberdeutschen Raum konzentrierten Vorhaben. Allein die Herausarbeitung und detaillierte Untersuchung der bei den Gebr. Loytz, Grieben und Lindholm gebräuchlichen Resilienz-Instrumente vermag erstmals quellenbasierte Aussagen darüber zu gewähren, ob oder inwieweit von einem in der Forschung vielfach behaupteten „innovatorischen Rückstand“ im Handel und Finanzwesen des Ostseeraums während des Kommerzialisierungsprozesses des 16. Jahrhunderts die Rede sein kann. Insgesamt wird unter dem Fokus des Resilienz-Managements ein vertiefter Einblick in die späthansische Handelswelt des südlichen Ostseeraums und seines weiten Hinterlandes präsentiert, der das Spannungsfeld von Resilienz-Management und zunehmender Risikobereitschaft vertieft analysiert.

Kontinuität oder Untergang? Instrumente oberdeutscher Familiengesellschaften im 16. Jahrhundert zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Stabilität und Nachhaltigkeit. Eine qualitative Studie am Beispiel der Augsburger Paumgartner

Dissertationsprojekt: Stefan Lehm M. Ed.

Das Dissertationsprojekt richtet den Fokus auf die oberdeutsche Unternehmerfamilie der Augsburger Paumgartner (etwa 1479–1581) in der frühen Neuzeit und erprobt an ihr exemplarisch ein wirtschaftshistorisch interpretiertes Konzept der Resilienz. Im Projekt wird untersucht, inwiefern sich die Paumgartnerische Handelsgesellschaft sowie die Unternehmerfamilie selbst, anpassungsfähig gegenüber neuen Rahmenbedingungen zeigte und sich im Bemühen um intergenerationelle Bestandserhaltung des Besitzes und Wohlstands während Krisensituationen und disruptiven Ereignissen widerstandsfähig, flexibel und innovativ verhielt.

Dafür werden im Untersuchungszeitraum disruptive Ereignisse und Krisen identifiziert und hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Familie Paumgartner und ihre Unternehmung analysiert. Aufgrund des Facettenreichtums der Paumgartnerischen Tätigkeitsfelder – unter anderem in Montanwirtschaft, Hochfinanz sowie Gütererwerbungen aktiv – lassen sich Ansätze von Resilienzstrategien interpretieren, deren Ziel die Beibehaltung von Stabilität oder eine schnelle Wiedererlangung eines Gleichgewichtszustandes nach einem Schockmoment war. Hierbei lassen sich neben bekannten Instrumenten wie Testamenten auch neuartige Instrumente im Kreis der Augsburger Großkaufleute finden, etwa ein Familienstatut oder eine Rechtsordnung, die von den Augsburger Paumgartnern herausgegeben wurde.

Neben diesen exemplarisch genannten sozial- und rechtshistorischen Quellen lassen sich auch Handelsakten heranziehen, die den Umgang mit ökonomischen Angelegenheiten interpretierbar werden lassen. Konkrete Geschäftsunterlagen, die den Zeitraum der dritten Augsburger Paumgartnergeneration abzudecken vermögen, bieten darüber hinaus die Möglichkeit, das Augenmerk insbesondere auf den Zeitraum des wirtschaftlichen Niedergangs der Familie, der sich, trotz vermeintlich resilientem Unternehmertum in der ersten und zweiten Generation, nicht vermeiden ließ, zu richten, was von der bisherigen Forschung bislang kaum geleistet wurde. Erfahrungen über alle drei Generationen sollen schließlich eine empirische Grundlage für weitere Forschungsvorhaben bilden, die sich unter einer wirtschaftshistorischen Perspektive mit Resilienzmanagement und dem damit verbundenen Ziel einer ökonomischen Nachhaltigkeit befassen.

Das Resilienz-Management von Einzelunternehmern: Der Transalpenhandel des Augsburgers David Gauger und des Bozners David Wagner um 1600 (in Kooperation mit der Universität Bamberg)

Projektbearbeiter: Matthias Baumgartl M. A. 

Große Handelsgesellschaften wie diejenigen der Fugger, Welser, Tucher und Imhoff standen und stehen meist im Mittelpunkt der Forschungen zu süddeutschen Unternehmen des 16. Jahrhunderts. Diese bildeten allerdings nur die „Spitze des Eisbergs“: Kleine und mittelgroße Unternehmen, die von Einzelkaufleuten geleitet wurden, stellten die große Mehrzahl der kommerziellen stellten. Zudem lässt sich im späten 16. Jahrhundert ein Strukturwandel im süddeutschen Fernhandel beobachten, zu dessen Kennzeichen ein Rückzug des reichsstädtischen Patriziats aus dem aktiven Handel, eine wachsende Präsenz italienischer und niederländischer Migranten in Oberdeutschland sowie die zunehmende Bedeutung flexibler Vertretungsformen (Agenten, Kommissionäre) gehörten. Ob dieser Strukturwandel auf eine langfristig gesehen höhere Resilienz von Einzelunternehmern zurückzuführen ist, steht als Leitfrage über diesem Projekt. Verfügten Einzelkaufleute über strategische Vorteile, etwa in Form schnellerer Entscheidungs- und Reaktionsmöglichkeiten, geringerer Transaktionskosten und einer höheren Flexibilität, die sie gegenüber den großen Handelsgesellschaften auf lange Sicht resilienter machten?

Der transalpine Handel bietet sich für eine derartige Untersuchung an, da hier Einzelkaufleute Träger eines intensiven, bis etwa 1620 anhaltenden Kommerzialisierungsprozesses waren. Die parallele Auswertung zweier überlieferter Buchhaltungen von Einzelkaufleuten im Rahmen verspricht vor diesem Hintergrund sowohl tiefe Einsichten in das Resilienz-Management von Einzelkaufleuten in der Zeit um 1600 als auch neue Perspektiven auf bislang wenig beachtete Aspekte des Transalpenhandels. Im Mittelpunkt dieses Projekts stehen die Kaufleute David Gauger und David Wagner.

David Gauger gelang als Sohn eines Augsburger Gastwirts der Aufstieg in die Reihen der reichsstädtischen Fernhändler. Sein Journal und Schuldbuch aus den Jahren 1588–1591, die im Augsburger Stadtarchiv überliefert sind, lassen ein spezifisches Geschäftsmodell erkennen: Gauger konzentrierte sich demnach auf den Einkauf von Schafwolle auf mitteldeutschen Märkten, etwa in Braunschweig, Halberstadt und Eisenach, sowie auf deren Absatz auf den Bozener Märkten und in Bergamo, einem Zentrum der oberitalienischen Wolltuchproduktion. Die Erlöse aus diesem Handel wurden mittels Wechseln über Venedig nach Augsburg remittiert. Gaugers Resilienz-Management scheint demnach vor allem auf Spezialisierung, dem Aufbau vertrauensbasierter Geschäftsbeziehungen und dem Zugang zu Kreditnetzwerken basiert zu haben.

Mit David Wagner wird ein Kaufmann erforscht, der Ende des 16. Jahrhunderts von Augsburg nach Bozen migrierte. Sein im Tiroler Landesarchiv Innsbruck aufbewahrtes Geschäftsbuch aus den Jahren 1598–1603 weist ein breiteres Warenspektrum sowie eine größere geographische Reichweite auf als im Falle David Gaugers. Wagner handelte unter anderem mit Textilien, Kupfer und Leder, und seine Geschäftsbeziehungen reichten von Nürnberg bis Neapel. Außerdem kombinierte er Warenhandel und Finanzgeschäfte, etwa indem er Kredite an Tiroler Adlige vergab. Wagners transalpine Migration wirft zudem die Frage nach der Bedeutung des Standortes Bozen auf, der auch für David Gauger eine wichtige Rolle spielte. Da die Geschäftsbücher Gaugers wie Wagners eine ausgeprägte doppelte Buchführung aufweisen und beide Kaufleute die Möglichkeiten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs intensiv nutzten, erlauben beide Fallstudien weiterhin Rückschlüsse auf die Adaption italienischer Resilienz-Instrumente und Resilienz-Medien.

Qualifikationsarbeiten

Bei Interesse an einer Studienabschlussarbeit (Bachelor- oder Masterarbeit) wenden Sie sich bitte direkt an Prof. Denzel oder das Hilfskraftteam der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Nachfolgend finden Sie eine Übersicht über die laufenden und abgeschlossenen Dissertationen und Habilitationen unserer Professur.

  • Claudia Jäger
    Resilienz-Management in Handel, Transport und Finanzwesen zwischen Elbe und Weichsel: Die Handelshäuser Loitz, Grieben und Lindholz, 1544 – 1576.
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  • Stefan Lehm
    Kontinuität oder Untergang? Instrumente oberdeutscher Familiengesellschaften im 16. Jahrhundert zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Stabilität und Nachhaltigkeit. Eine qualitative Studie am Beispiel der Augsburger Paumgartner.
    Details ansehen
  • Annegret Prüfert
    Nahrungsmittelpreise im Großraum Dresden in der Frühen Neuzeit.
  • Kathleen Rahn
    Gefängnis und Zwangsarbeit. Freiheitsstrafe und Strafvollzug in Deutsch-Südwestafrika, 1884 – 1915.
  • Gabriela Schlick
    Jüdische und christliche Wechselmakler an der Frankfurter Börse, 1666 – 1806.
  • Dr. Thomas Urban
    Resilienz als nichtökonomische Ressource? Die Krisenfestigkeit deutscher Familienunternehmen im 19. und 20. Jahrhundert. (Arbeitstitel)
  • Dr. Ingbert Blüthner-Haessler
    Der Klavierbau in Leipzig zwischen 1850 und 1920. (2012)
  • Dr. Frank Hoffmann
    Quellenkritische Untersuchungen zur preußischen Gewerbestatistik zwischen Wiener Kongress und Reichsgründung. (2012)
  • Dr. Katharina Hofmann-Polster
    Der Hof in der Messestadt. Zur Inszenierungspraxis des Dresdner Hofes auf den Leipziger Messen (1694 – 1756). (2014)
  • Dr. Manfred Mehl
    Münz- und Geldgeschichte des Erzbistums Magdeburg im Mittelalter nebst Katalog. (2011)
  • Dr. Kristina Starkloff
    Außereuropäische Völker auf Welt- und Gewerbeausstellungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Deutschland und Amerika im Vergleich. (2011)
  • Dr. Anja Timmermann
    Indigo. Die Analyse eines ökonomischen Wissensbestandes im 18. Jahrhundert. (2013)
  • Dr. Danny Weber 
    „Der größte Kaufmann des ganzen heiligen Römischen Reiches“. Die Geschäfte des Handels- und Bankhauses Frege & Comp. in Leipzig (1739 – 1815/16). (2007)
  • Dr. Antje Schloms
    Waisenhäuser in der Frühen Neuzeit. (2015)
  • Dr. Hermann Junghans 
    Entwicklungen und Konvergenzen in der Münzprägung der deutschen Staaten zwischen 1806 und 1873 unter besonderer Berücksichtigung der Kleinmünzen. (2015)
  • PD Dr. Mechthild Isenmann
    Strategien und Handlungskonzepte oberdeutscher Handelshäuser zur intra- und interfamiliären Konfliktlösung im 15. und „langen 16. Jahrhundert“. 
  • PD Dr. Philipp Rössner 
    Deflation, Devaluation, Rebellion: Geld im Zeitalter der Reformation.
  • PD Dr. Werner Scheltjens 
    The Quest For North-Eurasian Trade, 1660 – 1860.

Abgeschlossene Projekte der Professur

Münzpolitik im Reich im Spannungsfeld zwischen Edelmetallkrise und Preisrevolution (1470–1540)

Projektleitung und -durchführung: PD Dr. Philipp Rössner 

Um 1500 war Deutschland nicht nur „ein Sammelbecken ausländischen Geldes“ (Kellenbenz) geworden, sondern der generelle Trend der Rechengeldentwertung, das heißt die im Zeitverlauf progressive Reduktion des Feingehalts insbesondere der umlaufenden Klein- (Pfennige, Heller, Kreuzer) und Mittelnominale (Batzen), hatte sich noch verstärkt (Metz).

  1. Dies war eine europaweite Entwicklung. Doch im Reich, insbesondere in seinen „deutschen“ Teilen, ergab sich aufgrund der territorialpolitischen Fragmentierung und der verwirrenden Vielfalt der umlaufenden Geldsorten eine besonders heikle Situation.
  2. Es existierten mindestens zwei verschiedene Austauschsphären: einmal die „höherwertige Austauschsphäre“ und zum anderen die Sphäre, in welcher „Mindergeld“, also vorwiegend Scheidemünzen verwendet wurden. Beide Sphären scheinen sich grob gesehen mit entsprechenden sozioökonomischen Klassen (im Weberschen Sinne) gedeckt zu haben. Kaufleute, Fernhandel, Steuern und Abgaben erhebende Grund- und Territorialherren, sowie Zinseinnahmen beziehende Bürger und Kaufleute bedienten sich zur Abwicklung ihrer wirtschaftlichen Aktivität überwiegend der „besseren“ Gelder. Ihre ökonomische Aktivität war also tendenziell eher in der „höherwertigen Austauschsphäre“ verankert, während sich die große Mehrzahl der Bevölkerung in der „niedrigwertigen“ Austauschsphäre verortete und bei der Abwicklung von Transaktionen hauptsächlich auf „Mindergeld“ (Scheidemünze) rekurrieren musste.
  3. Diese Scheidemünzen aber hatten die höchsten Entwertungsraten. So verlor der Frankfurter Heller zwischen 1404 und 1541 22 Prozent seines Feingehalts (gAg); der Würzburger Pfennig zwischen 1400 und 1525 42 Prozent, und der Augsburger Pfennig wertete im gleichen Zeitraum um 54 Prozent ab. Und selbst nachdem die Albertiner und Ernestiner mit der Umstellung vom Gold- auf einen Silbergulden (Guldengroschen, „Taler“) 1500 den (schlussendlich erfolglosen) Schritt zur Errichtung einer Hartwährungszone vollzogen (Leipziger Münzordnung von 1500), wertete das maßgebliche Nominal im täglichen Zahlungsverkehr Großsachsens (der Zinsgroschen zu 1/21 Rh fl) bis 1540 um bis zu 19 Prozent ab, folgte also dem allgemeinen deutschen und europäischen Trend.
  4. Daher gilt: Wann immer die unterschiedlichen Tauschsphären (siehe Punkt 2) systemisch nicht genau geschieden waren, sich vermischten, also etwa minderwertige Münze in die „höheren Tauschsphären“ wie den Messehandel eindrang, mussten sich die Beteiligten gegen das Sortenkursrisiko mit einem Agio absichern. Wann immer aber nominelle Gleichwertigkeit der Münznominale bestand, z. B. die schlechten Münzen nicht offiziell (qua Münzedikt, Valvationsurkunde) devalviert waren, fühlten sich jene Kreise der Bevölkerung, deren Faktorleistungen in „Mindermünze“ vergütet wurden, benachteiligt (siehe Punkt 6).
  5. Münzabwertungen und Münzverschlechterungen sowie der allgemeine „Münzwirrwahr“, die ungeheure Vielzahl an umlaufenden Geldsorten im Reich und die strukturell schlechtere Ausstattung der „gemeinen“ Bevölkerung mit guten Münzen führten zwangsläufig zu einer Erhöhung der Transaktionskosten. Bauern mussten sich zu bestimmten Stichtagen gute Münze besorgen, etwa für Zinszahlungen oder zur Zahlung von Steuern an die Landesherren, während sie ihre Markterlöse häufig in schlechter Münze erzielten. Kreditnehmer mussten meistens zu den selben Stichdaten (Zahlungsziel am Leipziger Rentenmarkt etwa waren Michaelis und Walpurgis, also dieselben Daten, an denen in den sächsischen Ämtern die Geldzinsen eingingen und die Leipziger und Naumburger Messen stattfanden) „hohe Münze“ aufbringen usw. Somit wurde die Effizienz der gesamtwirtschaftlichen Aktivität (Totale Faktorproduktivität, TFP) gesenkt.
  6. Auch zeitigte die Situation eine Reihe sozioökonomischer Imbalancen, welche sich – neben einer Reihe anderer Faktoren – wiederholt in ländlichen (und städtischen) Unruhen (1458/62–1526) entluden. Eine Vielzahl bäuerlicher Gravamina beklagt das desolate Münzwesen in der jeweiligen Region, vom Bauernkrieg in Innerösterreich 1458/62 an, über Solothurn (1503) bis hin zum „Armen Konrad“ (1516) in Württemberg und dem „Bauernkrieg“ (1524–26).
  7. Als Ursachen des desolaten Münzwesens im Reich sind hauptsächlich zu nennen: (a) die allgemeine Edelmetallknappheit des Spätmittelalters, die sich nach 1470 und bis etwa 1540 als relative Silberkrise fortsetzte; sowie (b) der Silberexport aus dem Reich. 90 – 100 Prozent der Tiroler und Mansfelder Produktion (Thüringer Saigerhütten) wurden nach 1500 exportiert; allein das erzgebirgische Silber kam in nennenswertem Ausmaße der sächsischen Zirkulation zugute. Dies ergab eine „relative Silberkrise“, 1470–1530, da ja absolut gesehen die Ausbeute der deutschen/zentraleuropäischen Silberminen stieg.
  8. Als Hintergrund ist unter anderem die Erschließung der Kaproute und der Aufbau des Portugiesischen Kolonialreiches nach 1500 zu sehen. Der erhöhte Finanzierungsbedarf (Silber und Kupfer) der Portugiesen wurde über Antwerpen durch das deutsche Kupfer und Silber (Thüringen, Schwaz) gedeckt (neben den ungarisch-slowakischen Vorkommen). Die involvierten Kaufleute stellten aufgrund ihrer Stellung im Produktionsprozess (Betreiber/Finanziers der Saigerhütten in Thüringen) und ihrer kreditwirtschaftlichen Position (Geldgeber des Kaisers, Tirol) sicher, dass bis zu 90 Prozent des Schwazer Silbers und bis zu 100 Prozent des aus dem Mansfelder Rohkupfer gesaigerten Silbers aus den Produktionsgebieten abflossen und nicht der Geldzirkulation in diesen Gebieten zugutekamen.
  9. Bereits um 1500 waren Probleme wie Münzprägung, Edelmetallversorgung, Unruhen in der ständischen Gesellschaft etc. zumindest teilweise global determiniert. Auch der Bauernkrieg, um nur ein Beispiel zu nennen, war ein Phänomen, dessen Faktormatrix globalen Kontingenzen unterlag.

Anmerkung: Noch 1540 – also vor dem spürbaren Einströmen amerikanischen Silbers in den zentraleuropäischen Raum, welches zu einem schrittweisen Fallen des Silberpreises führte (ohne jedoch wirklich Entspannung in das deutsche Münzwesen zu bringen) – schreibt Martin Luther an seine Frau Catherina in Wittenberg: „Wir haben zu hofe nicht einen pfennig klein müntze = mugen haben so wenig als yhr zu Wittemberg habt.“ Hat also die besondere währungspolitische Problematik des Reiches um 1470–1530 Unruhen und Umbrüche – bis hin zur Reformation – mit zu verantworten?


Ergebnisse

  • Rössner, Philipp Robinson: Geld- und währungspolitische Probleme in Deutschland am Vorabend der „Preisrevolution“ (1470–1540). Quellenbefund und Forschungshypothesen, in: Angelika Westermann / Stefanie von Welser (Hrsg.), Beschaffungs- und Absatzmärkte oberdeutscher Firmen im Zeitalter der Welser und Fugger, Husum 2011, S. 287–309
  • Rössner, Philipp Robinson: Bad Money, Evil Coins? Coin Debasement and Devaluation as Instruments of Monetary Policy on the Eve of the "Price Revolution", in: Philipp Robinson Rössner (Hrsg.), Cities ? Coins ? Commerce. Essays in Honour of Ian Blanchard on the Occasion of his Seventieth Birthday, Studien zur Gewerbe- und Handelsgeschichte der vorindustriellen Zeit, Bd. 31, Stuttgart 2012, S. 89–120
  • Rössner, Philipp Robinson: Armut durch Geldentwertung? Von der Deflation über die Devaluation zur Rebellion im Zeitalter der Reformation (1450–1550), Vortragsmanuskript für die Akten der Jahrestagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (GSWG, 2011), Hrsg. Günther Schulz, ersch. in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte (2012)
  • Rössner, Philipp Robinson: Münzpolitik im Reich im Spannungsfeld zwischen Edelmetallkrise und Preisrevolution (c.1470–1540) (Habilitationsschrift, noch nicht veröffentlicht)

Edition der Handschrift Nr. 10720 der Österreichischen Nationalbibliothek Wien

Projektleitung: Prof. Dr. Markus A. Denzel
Projektbeteiligter: Prof. Dr. Ekkehard Westermann (Rantrum)

Die Handschrift Nr. 10720 der Österreichischen Nationalbibliothek Wien aus dem Archiv der Firma Fugger (1548) beinhaltet weitreichende Informationen zum Handel und zur Geschäftsführung des Hauses Fugger und aller seiner Filialen, die von den Münz-, Maß- und Gewichtsverhältnissen über das Transport- bis hin zum Hüttenwesen reichen. Der hohe Aufwand für die Durchführung des Projektes wird dabei durch die herausragende Bedeutung dieser Handschrift gerechtfertigt, die nach derzeitigem Kenntnisstand das einzige Kaufmannsnotizbuch eines Handelshauses von europäischer Bedeutung aus dem deutschsprachigen Raum um die Mitte des 16. Jahrhunderts darstellt und durch ihre inhaltliche Fülle betriebswirtschaftliche Einsichten in die Firmenstruktur erlaubt, wie sie der bisherigen Forschung noch nicht ersichtlich gewesen sind.

Indigo. Die Analyse eines ökonomischen Wissensbestandes im 18. Jahrhundert

Projektleitung: Prof. Dr. Markus A. Denzel
Projektbeteiligte: Anja Timmermann

Das Dissertationsvorhaben „Wissenstransfer und Innovationen am Beginn der industriellen Entwicklung Europas. Die Rolle des außereuropäischen Farbstoffs „Indigo“ thematisiert anhand des Beispiels einer der innovativen, seit der europäischen Expansion mit immer stärkerem Einfluss auf das europäische Wirtschaftsleben importierten Kolonialwaren die Bedeutung des zunehmenden in den Wissensnetzwerken der Aufklärung zirkulierenden europäischen Fachwissens unter dem Gesichtspunkt des einsetzenden Industrialisierungsprozesses. Innovationen, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts bei der Adaptierung des aus Übersee importierten Farbstoffes Indigo für die Massenproduktion bedruckter Baumwollstoffe gemacht wurden, zeigen, in welchem Maße die Erschließung neuer Märkte, Vernetzung und Liberalisierung des außer- wie innereuropäischen Handels, Neuordnung gewerblicher Strukturen, kurz: die Entstehung von Bedingungen für Industrialisierung von Information, Kommunikation und insgesamt der Veränderung des Wissensbegriffs abhängig war.

Untersuchungsgrundlage ist die gedruckt veröffentlichte zeitgenössische ökonomische, kameralistische und naturwissenschaftliche deutschsprachige Literatur. Dabei handelt es sich neben Handwerksbeschreibungen und wissenschaftlichen Fachschriften insbesondere um ökonomische Fachenzyklopädien sowie Kaufmannshandbücher, denen als zentraler Informationsgrundlage für alle Belange des internationalen Handels und Gewerbes eine bedeutende Rolle im Prozess des den Handel mit den überseeischen Rohstoffen begleitenden Wissenstransfers zukommt. Durch die systematische Auswertung dieser Texte kann der Stand eines fachspezifischen „Allgemeinwissens“ bei den an Innovationen interessierten Kaufleuten und Unternehmern der ausgehenden vor- und beginnenden frühindustriellen Zeit festgestellt werden. Damit ist die Analyse des Indigo betreffenden zeitgenössischen Schrifttums eine Fallstudie, die zeigt, wie sich das Verständnis von technischem Wissen grundlegend wandelte und so Synergieeffekte freigesetzt wurden, die in der Folge zu einer „Demokratisierung“ von Information und konsequenterweise auch des wirtschaftlichen, speziell unternehmerischen Handelns führten.


Ergebnisse

  • Timmermannn Anja: Indigo. Die Analyse eines ökonomischen Wissensbestandes im 18. Jahrhundert. Steiner Verlag, Stuttgart (in Vorbereitung).
  • Timmermann, Anja: Kaufmännisches Wissen über Kolonialwaren am Beginn der industriellen Entwicklung Europas. Das Beispiel des überseeischen Farbstoffs Indigo, in: Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte 6 (2006), S. 157–163.
  • Timmermann, Anja: Baumwolle, in: Hermann Hiery (Hrsg.) et al, Lexikon für Überseegeschichte (im Druck).
  • Timmermann, Anja: Farbstoffe, in: Hermann Hiery (Hrsg.) et al, Lexikon für Überseegeschichte (im Druck).

Außereuropäische Völker auf Welt- und Gewerbeausstellungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert

Projektleitung: Prof. Dr. Markus A. Denzel
Projektbeteiligung: Kristina Starkloff

Als wichtige Plattformen der führenden Industrienationen, sich ihres industriellen und zivilisatorischen Fortschritts zu vergewissern und ihn zu repräsentieren, gelten die von 1851 – 1913 stattfindenden Weltausstellungen. Völkerschauen, die vor allem seit Beginn des modernen „Imperialismus“ (1880) auf diesen „globalen Festen des Fortschritts“ fester Bestandteil waren, können in diesem Rahmen als ein bedeutendes Medium der wettbewerbsorientierten nationalen Selbstrepräsentation angesehen werden. Mittels des absichtsvoll herausgestellten Kontrasts zwischen den vermeintlich „Primitiven“ und einer von technischen Innovationen bestimmten „zivilisierten“ Welt versicherten sich die vorherrschenden Industrienationen ihrer nationalen Identität und ihres Anspruchs auf Überlegenheit. Anhand der Inszenierung eigener Macht über das Fremde manifestierten die Kolonialherren ihre Superiorität vor dem Hintergrund des „imperialen“ Wettrüstens. Aufschlussreich ist die organisierte und kontrollierte Ausstellung des Fremden und fremder Kulturen als Konsumobjekte nicht im Hinblick auf Informationsvermittlung sondern ausschließlich für die Untersuchung der Selbstdarstellung und des kulturellen Selbstbildnisses der Großmächte.

Das Projekt wird zeigen, dass diese auf Stereotypen basierenden, „inszenierten“ Völkerschauen einen wesentlichen Teil zum Gesamtbild und (Selbst)Verständnis der ausstellenden Nation beitrugen.

Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr (1621–1827)

Projektleitung und -durchführung: Prof. Dr. Markus A. Denzel

Nürnberg war seit dem Hohen Mittelalter ein Zentrum nicht nur der Gewerbeproduktion und des Fernhandels, sondern auch und vor allem der oberdeutschen Hochfinanz mit ihren internationalen Verflechtungen. Die umfang- und weitreichenden internationalen Finanztransaktionen brachten es mit sich, dass sich in Nürnberg seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert das für Oberdeutschland neue, aus Italien kommende, innovative Medium des Zahlungsverkehrs, der Wechsel, als Finanzinstrument für bargeldlose Transfer- und Kreditoperationen zu etablieren begann. Im 16. Jahrhundert – einer Zeit der Hochblüte des Nürnberger Handels – bildete sich in Nürnberg ein Wechselmarkt heraus, der sowohl mit Italien (vor allem mit Venedig), Nordwesteuropa (vor allem mit Antwerpen und später Amsterdam) und den internationalen Messen von Lyon in enger Beziehung stand. Um diese seine internationale Bedeutung als Finanzplatz abzusichern, wurde in Nürnberg auf Initiative des städtischen Handelsvorstands 1621 nach dem Vorbild der öffentlichen Banken Venedigs, Amsterdams und Hamburgs der Banco Publico mit einer eigenen Rechenwährung, dem sogenannten Gulden Kurant, gegründet, um in der Zeit einer dramatischen Münzverschlechterung und Inflation – der sogenannten Kipper- und Wipper-Zeit – Geldwesen und Zahlungsverkehr für die Kaufmannschaft in gewohnter Sicherheit aufrechterhalten zu können. Zumindest in den ersten Jahren scheint der Nürnberger Banco umsatzstärker als die 1619 gegründete Hamburger Bank gewesen zu sein.

Das Vorbild international agierender Wechselmärkte – darunter die beiden bedeutendsten des beginnenden 17. Jahrhunderts, Amsterdam und Venedig – belegt, welch gewichtige Rolle Nürnberg im internationalen bargeldlosen Zahlungsverkehr dieser Zeit in der Selbstsicht seiner Kaufmannschaft einnahm. Als Nürnberg im Gefolge des Dreißigjährigen Krieges als Finanzplatz deutlich an Bedeutung verlor, war die Existenz dieses Banco Publico zur sicheren Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs eine Besonderheit, die Nürnberg als einzigen Wechselmarkt von nunmehr nur noch regionaler Bedeutung in ganz Europa auszeichnete. Diese reichsstädtische Giro- und Wechselbank „regulierte“ nämlich bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit (1806) den Nürnberger Wechselmarkt dahingehend, daß alle Wechselgeschäfte oberhalb von 200 Gulden (so die Banco-Ordnung) bargeldlos über den Banco abgewickelt werden mussten, wie dies auch in Venedig, Amsterdam und Hamburg der Fall war. Dieser Umstand brachte es mit sich, daß der umsatzmäßig mit Abstand größte Teil aller in Nürnberg zwischen 1621 und 1806 abgewickelten Wechselgeschäfte in den Akten des Banco Publico verzeichnet wurde, so dass ein annähernd vollständiger Überblick über die Entwicklung des Nürnberger Wechselmarktes im 17. und 18. Jahrhundert möglich ist. Dies ist, da die einschlägige Hamburger Überlieferung im Zweiten Weltkrieg vernichtet wurde, nach derzeitigem Kenntnisstand für keinen anderen mitteleuropäischen Finanzplatz und Wechselmarkt möglich, da andere Wechselmärkte, wie gesagt, keine dem Banco Publico vergleichbare Institution besessen haben. Trotz dieser für die wirtschaftshistorische, speziell die handels-, bank- und finanzhistorische Forschung, wurde der Nürnberger Banco Publico nach einigen kleineren, bereits Jahrzehnte zurückliegenden Schriften in den letzten Jahren kaum gewürdigt. Hervorhebenswert sind nur 1.) die mikroökonomisch ausgerichtete Untersuchung von Lambert F. Peters, die allerdings auf den Nürnberger Handel – nicht den Banco selbst oder den Wechselmarkt – in den drei Jahren 1621 bis 1624 fokussiert ist, und 2.) seine intensive, jedoch auf die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts beschränkte Auseinandersetzung mit den Unterlagen des Banco Publico und ihren Auswertungsmöglichkeiten im Vergleich mit Hamburg und Amsterdam.

Auch der Nürnberger Wechselmarkt, d. h. der bargeldlose Zahlungsverkehr der Reichsstadt, der sich in den Akten des Banco Publico widerspiegelt, ist bislang nicht in hinreichender Detailliertheit untersucht worden. Eine „Pilotstudie“ des Projektbearbeiters konnte immerhin herausarbeiten, dass Nürnberg auch nach der Hochblüte seines Wechselverkehrs im 16. und frühen 17. Jahrhundert bis weit in das 19. Jahrhundert hinein durchweg ein zumindest regional bedeutender Handelsplatz und Wechselmarkt im oberdeutschen Raum war, der zudem über einige internationale Verbindungen verfügte und über andere deutsche Finanzmärkte am internationalen System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs partizipierte. Nürnberg stand damit um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in einer Reihe mit anderen Wechselplätzen regionaler Relevanz in Europa wie etwa Braunschweig, Straßburg oder Reval, die zwar über internationale Verbindungen verfügten, vorrangig aber unterhalb der internationalen Ebene für eine „flächendeckende“ Versorgung der Kaufmannschaft mit Finanzdienstleistungen im bargeldlosen Zahlungsverkehr sorgten. Eine eingehende Untersuchung des Nürnberger Wechselmarktes für die Zeit, als das ehemalige oberdeutsche Finanzzentrum im wesentlichen nur noch regionale Bedeutung besaß, existiert allerdings bislang nicht, obwohl die Quellenlage im Vergleich zu anderen oberdeutschen Städten sehr gut ist, da ein Großteil des Wechselverkehrs über den Nürnberger Banco Publico abgewickelt werden musste und somit aus dessen überlieferten Büchern und Akten nachvollziehbar wird. Die intensive Durchleuchtung des Nürnberger Banco Publico vor allem in der Zeit nach den ersten Gründungsjahren und nicht zuletzt in der Phase seines Niedergangs in der zweiten Hälfte des 18. und im beginnenden 19. Jahrhundert und damit des Nürnberger Wechselmarktes zwischen etwa 1620 und 1820 stellt demnach ein erhebliches Forschungsdesiderat der Finanz- und Bankengeschichte des frühneuzeitlichen Alten Reiches, ja ganz Europas dar.

Neben der herausragenden wirtschaftshistorischen Bedeutung des Nürnberger Banco Publico als zentrale Schaltstelle des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Franken und als Institution mit in Mitteleuropa einzigartiger Überlieferung ist darüber hinaus auch eine sozialhistorische Komponente herauszustellen: Denn der Nürnberger Banco Publico diente nicht nur den christlichen Nürnberger Kaufleuten als Wechselumschlag, sondern auch und vor allem den jüdischen Kaufleuten des benachbarten Fürth, der Markgrafschaft Ansbach(-Bayreuth) und zahlreichen fränkischen Städtchen und Märkten. Damit spiegelt der Banco Publico in einer für das frühneuzeitliche Alte Reich einzigartigen Weise die zahlreichen Facetten christlich-jüdischer Geschäftstätigkeit, ihres Zusammenspiels und ihrer Konkurrenz wider, und dies für einen Zeitraum von etwa 200 Jahren. Dieser Aspekt konnte in der erwähnten „Pilotstudie“ des Projektbearbeiters (s. o.) erstmals aufgezeigt, allerdings ebenfalls nur angerissen werden und verdient eine deutlich intensivere Durchleuchtung, zumal es aufgrund des Quellenbestands des Nürnberger Banco Publico erstmals möglich sein wird, das Verhältnis zwischen jüdischen und christlichen Kaufmanns-Bankiers aus der Perspektive einer Finanzinstitution – hier einer öffentlichen Bank – zu analysieren.

Der Hof in der Messestadt. Zur Inszenierungspraxis des Dresdner Hofes auf den Leipziger Messen (1694–1756)

Projektleitung: Prof. Dr. Markus A. Denzel
Projektbeteiligte: Katharina Hofmann-Polster

Die Leipziger Messen – die Neujahrs-, Oster- und Michaelismesse – nahmen zu Beginn des 18. Jahrhunderts als Handelshauptort im Ost-West-Transfer und als das Tor zum Osten, zusammen mit Frankfurt am Main eine Vorrangstellung in Mitteleuropa ein, während andere Messen wie die von Naumburg, Frankfurt an der Oder, Braunschweig, Linz, Straßburg, Zurzach oder Salzburg als Messen „zweiten Ranges“ galten. Dieser aufsteigende und über die Grenzen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation weit hinausreichende Charakter der Leipziger Messen war ausschlaggebend dafür, dass die Messen als internationaler Schauplatz die ideale Kulisse für den kursächsisch-polnischen Hof boten, um Autorität, Glanz und Erfolg des herrschaftlichen Regiments in Form von diversen Festlichkeiten vor aller Welt und den eigenen Untertanen zu demonstrieren. Von besonderem Interesse sollen daher die Messeaufenthalte der beiden sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. (reg. 1694–1733) , auch bekannt als „August der Starke“, sowie seines Sohnes und Nachfolgers Friedrich August II. (reg. 1733–1763) sein, die beide als Könige von Polen in Personalunion regierten. Die Messebesuche dieser beiden Kurfürsten-Könige stellten sowohl in ihrer Häufigkeit als auch in ihrer Regelmäßigkeit eine Besonderheit dar, indem vor allem die zum Teil sehr aufwendigen Feierlichkeiten wie die Geburtstagsfeste beider Könige oder auch hofinterne Festivitäten wie Hochzeiten und diplomatische Treffen auf den Messen teilweise sehr ausgiebig zelebriert wurden.
Das primäre Ziel der Arbeit besteht in einer auf Quellen basierenden Analyse, die zeigen soll, dass die Feste des Hofes auf der Messe nicht ausschließlich als Vergnügen oder Kurzweil aufzufassen sind, sondern als kulturelle Praktiken der Selbstdarstellung zur Legitimierung und Repräsentation herrschaftlichen Machtanspruchs verstanden werden müssen. Es wird zudem die These vertreten, dass sich bei diesen Messefesten eine starke Durchdringung der Interaktionsräume Hof und Stadt erkennen lässt, was in erster Linie auf den Öffentlichkeitscharakter der Feste zurückzuführen ist. Ebenso gilt es zu demonstrieren, dass die einzelnen Messereisen sich jeweils auf eine strategisch angelegte casusgebundene Inszenierungspraxis zurückführen lassen, d. h. dass die vorgestellten Messen jeweils einem bestimmenden Anlass zugeordnet werden können, der sich in einer zielgerichteten Ausgestaltung der festlichen Arrangements offenbart. Damit geht einher, dass sich die Leipziger Messen gleichermaßen als zentraler und sozialer Treffpunkt der hohen Standespersonen herausstellten, indem nämlich vor allem stattfindende Audienzen, Konferenzen und ausladende (teilweise öffentlich ausgerichtete) Speisetafeln, die den regierenden in- und ausländischen Adel auf den Messen zusammenführten, als dominantes Charakteristikum der Messeauftritte gesehen werden müssen.
Da die Messereisen August des Starken sowie seines Nachfolgers in der bisherigen Forschung nur ungenügend oder gar nicht analysiert worden sind und bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine aufschlussreiche chronologische Zusammenstellung der Messebesuche beider Regenten existiert, soll ein Teil dieses Forschungsdesiderats mit der anstehenden Arbeit behoben werden. Gleichzeitig versteht sich die Untersuchung als ein Beitrag, der sowohl zur Leipziger Messe- als auch zur Stadtgeschichte weitere wichtige Erkenntnisse liefern kann. Schließlich erfahren hier sowohl landesherrliche als auch städtische Repräsentationen eine eingehende Analyse, die nicht zuletzt auf das Problemfeld herrschaftlicher Durchdringung gegenüber einer auf ihre Autonomie bedachten Bürgerstadt eingehen.

Preisgeschichte Mitteldeutschlands (c.1400–1800)

Projektleitung: Prof. Dr. Markus A. Denzel, PD Dr. Philipp Rössner 

Preise, vornehmlich für Grundnahrungsmittel (Fleisch, Getreide), aber auch für bestimmte „industrielle“ Vor- oder Gewerbeprodukte, stellen eines der wichtigsten „Konjunkturbarometer“ in der Frühen Neuzeit (1500–1800) dar. Zum einen sind Preise für Lebensmittel häufig das einzige historische quantitative Datenmaterial, welches in serieller Quelle vorliegt oder überhaupt zu erheben ist. Zum anderen lassen grundsätzliche theoretische Annahmen, etwa hinsichtlich des Anteils des Agrarsektors am „Sozialprodukt“ (BIP) oder der „Gesamtbeschäftigung“, oder dem Anteil tierischer und Getreideprodukte am „Einholkorb“ des durchschnittlichen frühneuzeitlichen Konsumenten den Schluss zu, dass Getreide- und Fleischpreise hier die Leitpreise für die vormoderne Wirtschaft darstellen. Mithin sind sie als proxies für Trends und Fluktuationen im unbekannten gesamtwirtschaftlichen Preisniveau ebenso zu verwenden, wie etwa zu quantifizierenden Aussagen hinsichtlich der Entwicklung des durchschnittlichen Lebensstandards der Bevölkerung (Reallöhne). Verhältnismäßig junge, auf relativ strengen wirtschaftstheoretischen Prämissen beruhende Überlegungen für das vormoderne England lassen hier sogar – in Kombination mit demographischem Material, sowie impliziten Annahmen hinsichtlich der Nachfrageelastizitäten – direkte Schlüsse auf die jährlichen Veränderungsraten des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf („Wirtschaftswachstum“) zwischen zwei oder mehr Eckdaten zu, für die Preise, Bevölkerung und Elastizitäten bekannt (oder geschätzt) sind (sogenannte demand equation method / Nachfragegleichungssysteme, wie etwa N. F. R. CRAFTS, English Economic Growth in the Eighteenth Century: A Re-examination of Deane and Cole’s Estimates, in: Economic History Review, Second Series, XXIX (1976), pp. 226–235; Id., British Economic Growth, 1700–1831: A Review of the Evidence, in: Economic History Review, Second Series, XXXVI (1983), pp. 177–199; Id., British Economic Growth during the Industrial Revolution, Oxford 1985).

Begründet wurden diese Überlegungen in der Habilitationsschrift Abels (W. ABEL, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur in Mitteleuropa vom 13. bis zum 19. Jahrhundert [Berlin 1935], Hamburg / Berlin, 3. Aufl. 1978). In Zusammenarbeit mit der Exilforschergruppe um Moritz J. ELSAS wurden seit den 1930er Jahren systematische Forschungen und Erhebungen zur Preisgeschichte Deutschlands begonnen (Moritz J. ELSAS et al., Umriss einer Geschichte der Preise und Löhne in Deutschland, 3 Bde., Leiden 1936–1946) und nach dem Krieg in Göttingen unter der Federführung Abels, später dann seiner Schüler (Walter ACHILLES, Diedrich SAALFELD, Hans-Jürgen GERHARD, Friedrich-Wilhelm HENNING, Karl Heinrich KAUFHOLD) oder den „Schülern der Schüler“ (z. B. Markus A. DENZEL) weitergeführt. Während sich diese Arbeiten zumeist auf den süd-, ober- und norddeutschen Raum beschränken, und der Niederrheinraum in der Zwischenzeit durch die wegweisenden Studien von IRSIGLER und METZ (Rainer METZ, Geld, Währung und Preisentwicklung. Der Niederrheinraum im europäischen Vergleich: 1350–1800, Frankfurt a. M. 1990) aufgearbeitet wurde, ist Mitteldeutschland (heutige Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) seit der Vorkriegszeit weitgehend „tabula rasa“ geblieben.

Dieses Forschungsdesiderat aufzuarbeiten hat sich das gegenwärtige Projekt unter der Federführung von M. A. Denzel und Philipp R. Rössner (Leipzig) zum Ziel gesetzt. Im Rahmen des in Leipzig anzusiedelnden Forschungsprojektes zu einer Preisgeschichte Mitteldeutschlands in Mittelalter und Früher Neuzeit (c. 1250–1800) wurde nach einer umfangreichen Archivanfrage, sowie einem über die erwarteten Maße positiven Rücklauf aus Staats-, Stadt- und Kreisarchiven aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beschlossen, aus dem mitteldeutschen Raum zumindest Getreidepreise komplett aufzunehmen. Es ist angestrebt, so die Pionierarbeiten von Elsas und Abel, sowie die preis- und lohngeschichtlichen Forschungen des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Göttingen – deren umfangreiche Preis- und Lohnmaterialien 2003 nach Leipzig transferiert wurden – durch eine Aufnahme mitteldeutschen Materials zu ergänzen.

Wie gestaltet sich nun das Quellenmaterial?

1. Vorindustrielle (Getreide)Preise finden sich idealiter in Preiskuranten, d. h. offiziellen und in regelmäßiger Abfolge wiederkehrenden Notierungen von Marktpreisen (Einkaufs- oder Verkaufspreise, Großhandelspreise oder Detailhandelspreise).

2. Da solche Preiskuranten in aller Regel im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit rar gesät sind, müssten andere Quellengattungen wohl als Stellvertreter herhalten. Die Praxis vorausgegangener Forschungen (s. o.) hat gezeigt, dass für den Historiker verwendbare marktübliche oder marktnahe Preise zumeist aus Rechnungen, die in jährlicher Folge vorliegen, extrahiert werden können. Solche Rechnungen könnten etwa sein:

  • Rechnungen der kursächsischen / herzoglich sächsischen Ämter;
  • Jahreshauptrechnungen („Jahresbilanzen“) von Institutionen oder Körperschaften „des öffentlichen Rechtes“, etwa des Rates einer Stadt;
  • Abrechnungen oder Jahresbilanzen von gemeinnützigen Stiften, etwa
    • Spitälern (z. B. St. Georg und St. Johannis in Leipzig)
    • anderen, kirchlichen Einrichtungen
  • Allgemein: Rechnungen (am besten Jahresbilanzen) von Institutionen und Einrichtungen oder Gruppen von Personen, die in größerem Umfange Transaktionen über den Markt vornahmen, bzw. in größerem Umfange wirtschaftlich tätig waren, die also monetäre Summen umsetzten, deren Umfang die marktmäßigen Transaktionen der Durchschnittsbevölkerung deutlich übertraf und deren Preisnotierungen mithin marktnah gewesen sind.

3. Die zu erhebenden Materialien beschränken sich zunächst auf Preise für Produkte des Grundbedarfs, etwa (a) Getreidepreise und verwandte Produkte (Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Reis, Kartoffeln, Erbsen, Hopfen u. a.); (b) Preise für Fleisch, Fisch, tierische Produkte und Lebendvieh (z. B. Rindfleisch, Kalbfleisch, Rinder, Kälber, Schweinefleisch, Schweine, Hammelfleisch, Schöpsen/Schöpsenfleisch, Gänse, Tauben, Hennen, Enten, anderes Geflügel; Fische jeder Art, z. B. Heringe, Karpfen, Hechte, aber auch Eier, Käse, Fett, Milch etc.) Darüber hinaus könnte man (c) Genussmittel, alkoholische Getränke, Gewürze etc., Safran, Pfeffer, Salz, Bier, Weinbeeren, Wein, Rosinen, Zucker, Kofent; (d) Roh-, Brenn- und Baustoffe, gewerbliche Vorprodukte, Gewerbeprodukte (z. B. Brennholz, Wachslichter, Unschlitt, Öl, Wolle, Baumwolle, Handschuhe, Kuh-/Ochsenhäute, Kalbfelle, Flachs, Zwilch, Leder, Garn, Essig, Kohlen, Nägel, Seife, Papier, Kalk, Mauer- / Dachsteine, Färbholz, Kupfer. etc.) ebenfalls aufnehmen, da solche Notierungen in den genannten Quellengattungen häufiger anzutreffen sind.

Da jedes Forschungsvorhaben, jede Archivanfrage ihre Imperfektionen hat, und wesentliche Gesichtspunkte, Datenbestände, Zusammenhänge etc. auch einmal übersehen werden können, ist das Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Leipzig bemüht, den Kenntnisstand und die Forschungen zur Preisgeschichte Mitteldeutschlands mit vorangegangenen oder parallel bestehenden Forschungsaktivitäten, etwa engagierter Archivare, Heimatforscher und Privatgelehrter zu vernetzen und so Synergieeffekte zu erzielen. Sachdienliche Hinweise, Vorschläge, Kooperationswünsche und ähnliches werden gerne unter nebenstehender Kontaktadresse entgegengenommen.


Ergebnisse

  • Decker, Nils: Die Entwicklung der Leipziger Hafer- und Kornpreise zwischen 1472 und 1572. Magisterarbeit, 2012
  • Fester, Andre: Getreideentwicklung in Zwickau zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Bachelorarbeit, 2011
  • Landgraf, Sabine: Wirtschaftliche Wechsellagen in Kiel/ HOstein in der Zeit von 1770 bis 1850 anhand der Preisentwicklung von Getreide. Bachelorarbeit, 2011
  • Prüfert, Annegret: Nahrungsmittelpreise der Stadt Dresden in der Frühen Neuzeit. Wissenschaftliche Arbeit zum Abschluss des Lehramtsstudiums, 2010
  • Schulte, Kathrin: Hospizpreise der Franckeschen Stiftungen. Bewertung einer Rechnung des Wasenhauses aus dem Jahre 1696. Bachelorarbeit, 2010

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